Da ist Übles

Da ist Übles

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In einem bemerkenswerten Tageblatt-Gespräch (18. Mai, Seite 14) sagte LSAP-Fraktionschef Lucien Lux, es könnte, wegen der öffentlich ausgetragenen Polemik um den Kurs der Partei, „der Eindruck entstehen, dass die Sozialisten der Ursprung allen Übels wären“. Aus dieser Formulierung ergeben sich drei Rückschlüsse:

Alvin Sold
asold@tageblatt.lu

1. Es gibt Übles, und die Sozialisten sind sich dessen bewusst.

2. Die Sozialisten können das Üble nicht beseitigen, obwohl genau das aus Wählersicht ihr Auftrag ist.

3. Deshalb verweisen die Sozialisten defensiv auf die Sachzwänge, die aus den von der manipulierten Mehrheit gewollten Verhältnissen in Europa und in Luxemburg entstünden: Mehr ginge eben nicht.

Anders gesagt: Wir kennen das Untier, aber es ist so gierig geworden, dass es uns fressen würde, wenn wir es nicht fütterten …

Also füttern wir es, das üble Untier, mit dem Überschuss, den es aus der galoppierenden Teuerung kriegt, füttern wir es mit Transfers aus höheren Steuern und gestiegenen Taxen, damit es ruhig bleibe und uns nicht strafe. Draghi, der künftige Chef der Europäischen Zentralbank, hatte noch vor ein paar Wochen den Mut, die Herren der Hochfinanz zähmen zu wollen, mit Auflagen, die am Ende öffentlichen Interessen dienen würden: Wird er den Streit wagen?

Wegen der Angst vor der gesunden Ur-Radikalität, oder wegen der falschen Bescheidenheit, die vorübergehend geschwächte linke Parteien gegenüber vorübergehend gestärkten rechten Parteien zeigen, werden dem triumphierenden Kapitalismus in der ganzen EU, auch in Luxemburg, ebenste, breiteste, schönste Boulevards geboten.

Er, dieser triumphierende Kapitalismus, befriedigt seine Träger, die wirklich Reichen, ein paar Prozent der Bevölkerung, generös, auf Kosten und zu Lasten der kleinen, mittleren und sogar schönen Einkommen.

Dass Gewerkschaften, insbesondere der im Luxemburger Privatsektor federführende OGBL, welcher einer sozial fortschrittlichen LSAP viel bringen könnte, sich nicht abfinden wollen mit dem wuchernden Defaitismus vor dem entfesselten, unkontrollierten Kapitalismus, liegt in deren Natur.

Eine gute Gewerkschaft fordert im Sinne des kontinuierlichen sozialen und gesellschaftlichen Fortschritts. Sie verlangt 10, schließt vielleicht ab bei 5, verlangt wieder 10, bekommt wieder 5, und ist, aufgrund der Stärke, welche sich aus ihrer stehenden Truppe ergibt (es sind der Mitglieder sehr viele, und sie kommen, wenn gerufen), am Ende dort, wenn auch mit Verzug, wo sie hin wollte.

Die Parteien haben keine stehenden Truppen.

Auch die CSV, die gewaltige, mit ihren 26 von 60 Abgeordneten der absoluten Mehrheit zu nahe Juncker-Phalanx, zählt nur 10.000, einen symbolischen Beitrag aufbringende, keineswegs sichere Mitglieder im Luxemburger Land mit seinen heute 510.000 Einwohnern.

Die Schlagkraft der CSV bei politischen Wahlen ergibt sich aus einem zeitlich begrenzten Glücksfall: Da sind gegenwärtig ein halbes Dutzend sehr gute Commerciaux, allen voran der Chef himself, die ihre Ware mit Geschick und Charme und Ernst anbieten, und da wirkt, im Hintergrund, noch immer, die unsichtbare Zweck- und Zielgemeinschaft, welche im Luxemburger Kosmos eine Galaxie ist, deren Sterne mit ihren Systemen irgendwie verbunden sind.

Viel Zeit bleibt nicht

Was wäre den heute verunsicherten Sozialisten zu raten, angesichts dieser CSV, welche morgen mit der DP oder den Grünen regieren wird, wenn sie die LSAP plangemäß auf das kleinstmögliche Format reduziert hat?
Ganz einfach, sich hinter die einzigen verbliebenen, potenziellen Verbündeten zu stellen, die Truppen ins Feld schicken könnten. Und würden, wegen der Sache Fortschritt.

Darüber, über neue Wege zum Fortschritt, dem sozialpolitischen wie dem gesellschaftspolitischen, ist sinnvoller zu diskutieren unter Linken als über die Begleitung des Abbaus.