Chaos im System

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Dingding – „Ich hasse Schnee, stecke seit zwei Stunden fest.

Wie geht’s dir?“ Dingding – „Bin auf der A13 bei Beles blockiert. War schon Stau, als ich in Esch losgefahren bin. Und jetzt geht gar nichts mehr, alles Idioten, die da unterwegs sind. Sims mich doch an, wenn du was Neues weißt.“

Léon Marx lmarx@tageblatt.lu

Dass es Mitte Dezember schon mal schneien kann, überrascht viele Autofahrer jedes Jahr immer wieder aufs Neue. Und dass es alle zehn Jahre auch schon mal zu einem regelrechten Schneechaos kommen kann, wenn Regen und Schnee auf noch gefrorenen Boden fallen, ist ein Phänomen, das man zwar aus anderen Ländern kennt, vor dem der luxemburgische Staat seine Autofahrer aber doch gefälligst zu schützen hat.

Und weil man im Kollektiv besser leiden und schimpfen kann, wurden am vergangenen Mittwoch während Stunden Zehntausende tiefgängige SMS und Mails per Handy und Smartphone durchs Land verschickt.

Bis schließlich auch der Verkehr auf den Funk- und Datenautobahnen zusammenbrach. Zuvor hatte die geballte Macht der Internauten bereits die Homepage der Verkehrsüberwachungszentrale, CITA.lu, lahmgelegt. Toll, was so eine Winteroffensive alles bewirken kann.

Doch im Ernst: Das Schimpfen auf andere ist zu einer der Lieblingsbeschäftigungen vieler Luxemburger geworden. Vor allem jener Spezies von Berufsbloggern, die überzeugt sind, zu allem und jedem etwas Qualifiziertes sagen zu müssen.

Jetzt, wo der Winter bereits die nächste Offensive für Ende der Woche vorbereitet, wäre es aber wohl hilfreicher, zu einer sachlichen Debatte überzugehen. Ein auch nur flüchtiger Blick über die Grenzen, insbesondere über die deutsche, hätte am Mittwoch genügt, um zu erkennen, dass auch bei den dortigen Straßenmeistereien keine Zauberer mit magischen Streumitteln am Werk sind. Und dass bei Blitzeis und überfrierender Nässe auch Winterreifen an ihre Grenzen stoßen.

Dass luxemburgische Zivilhelfer zur Verstärkung ausrücken mussten, um der „Grande Nation“ bei der Versorgung von Autofahrern zu helfen, die auf der A31 hinter Zoufftgen festsaßen, zeugt auch nicht von einer beispielhaften Spitzenleistung der französischen Autobahndienste.

„A l’impossible, nul n’est tenu“: Dass der delegierte Minister für Transport und Infrastruktur am Donnerstagmorgen in einem Radiointerview auf die außergewöhnliche meteorologische Situation hinwies und meinte, die Straßenbauverwaltung habe eine durchwegs korrekte Arbeit geleistet, hat ihm sicherlich nicht nur Freunde eingebracht, zeigte aber, dass es auch noch Politiker gibt, die mit den Füßen auf dem Boden der Realität stehen.

Brisante Fragen

Man hätte Schank in dem Interview auch ganz andere, politisch weitaus brisantere Fragen stellen können. Etwa warum am Mittwochnachmittag die Internetseite CITA.lu zusammenbrach. Warum es bis Donnerstag dauerte, bevor sie wieder operationell war. Warum man, nach einem kurzzeitigen Totalausfall, am Abend beim Eintippen der Adresse auf die Seite eines kommerziellen Kommunikationsunternehmens umgeleitet wurde. Oder warum das Ministerium nicht dazu aufrief, verstärkt auf die problemlos rollenden Züge umzusteigen …

Es wäre auch interessant, etwas über die Einnahmen der Mobilfunkprovider zu erfahren, die diesen Mittwoch, 8. Dezember, wohl mit goldenen Lettern in ihre Geschäftsberichte eintragen werden. Und darüber, wie viel Geld das Reparieren von verbogenem Blech in die Kassen der Autowerkstätten spülen wird. Als sinnvolle Ergänzungen zu den 17 Millionen Euro an witterungsbedingten Ausfällen, die laut Baugewerbe nach dem Schneechaos auf der Gesamtwirtschaft lasten.