„Breaking Bad“ Nahost

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Drogen und Syriens Bürgerkrieg

Was haben ein saudischer Prinz, deutscher Fußball, Syriens Bürgerkrieg und die US-Fernsehserie „Breaking Bad“ gemeinsam? Richtig: das große Geschäft mit den Drogen. Während in Luxemburg die Drogen-Razzia in Wasserbillig die Gemüter bewegt, ging eine Meldung im Nachrichtendickicht unter: In Beirut wurde vergangene Woche ein saudischer Prinz mit zwei Tonnen Captagon-Pillen verhaftet. Die Droge wird in Syriens Bürgerkrieg zur Leistungssteigerung von Dschihadisten, Rebellen und Regime-Truppen verwendet. 2014 wurden mehr als 50 Millionen der bräunlichen Pillen verkauft.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Das Geschäft mit den Amphetaminen ist lukrativ. Schätzungen zufolge werden jährlich über 300 Millionen Dollar mit dem Captagon-Handel erwirtschaftet. Der Libanon gilt als Hauptproduktions- und Umschlagsort. In Syrien entstehen unterdessen angesichts der zunehmend anarchischen Zustände Laboratorien, in denen, ähnlich wie in „Breaking Bad“, im Untergrund produziert wird. Der Fund der Pillen im Libanon, die in 24 Umzugskartons versteckt waren, ist ein großer Coup – aber keine Überraschung. Dass die Beiruter Zöllner im Gepäck des saudischen Prinzen Abd al-Muhsen bin Walid ibn Abd al-Aziz al-Saud fündig wurden, hat politische Gründe.

Trotz seiner diplomatischen Immunität hätte al-Saud wissen müssen, dass der libanesische Geheimdienst von der Hisbollah kontrolliert wird: Agenten sollen die Verhaftung des Prinzen veranlasst haben. Genau zum richtigen Zeitpunkt im Vorfeld der Wiener Friedensverhandlungen über den Syrienkonflikt. Jenen Bürgerkrieg, in dem sich Saudis und Iraner einen gnadenlosen Stellvertreterkrieg liefern – und ihre eigenen Milizen mit Waffen, Geld und Drogen beliefern. Die Diskreditierung der Saudis kommt dem Iran demnach gelegen. Allerdings bewegt sich Teheran auf dünnem Eis. Mehrere Studien belegen, dass die irantreue Hisbollah bereits seit 2006 mit Unterstützung der Mullahs Captagon produziert und vertreibt. Der Ursprung der Droge geht aber noch weiter zurück. Sie ist ein Produkt des Westens. In den 1960er-Jahren wurde sie im Kampf gegen Hyperaktivität und Depression eingesetzt. In Deutschland soll Captagon in den 1980er-Jahren gar als Dopingmittel in der Bundesliga verwendet worden sein. Wie dem auch sei: Heutzutage ist Captagon zu einer der populärsten Drogen im Libanon, in Syrien, in Jordanien und vor allem in Saudi-Arabien geworden.

Mit Blick auf die Geschichte der Kriegsführung ist der Einsatz von Drogen nichts Neues. Im Gegenteil. Er ist fester Bestandteil (z.B. Vietnam). Allerdings unterscheidet sich Captagon von anderen Aufputschmitteln, wie sie etwa die US-Armee verwendet, durch seine Wirkung: Die Kämpfer stumpfen völlig ab. Barbarei und Gefühllosigkeit gegenüber sich und anderen werden zur Routine. Selbst wenn in den nächsten Monaten ein diplomatischer Durchbruch gelingt, wird der Nahe Osten noch lange nach Beendigung des Syrienkrieges unter den Nebeneffekten der Drogenwirtschaft leiden. Das prüde Saudi-Arabien erhielt bereits 2010 – also vor Syriens Bürgerkrieg – sieben Tonnen der weltweiten Captagon-Produktion. Über 200.000 Saudis sind Captagon-süchtig. 70 Prozent von ihnen 12 bis 20 Jahre alt.