Bestseller

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Der Schriftsteller Arno Schmidt mochte nicht nur Buchstaben, sondern auch Zahlen.

Er hat die Rechnung aufgestellt, dass selbst fleißige Leser in ihrem Leben kaum mehr als 3.000 Bücher intensiv zur Kenntnis nehmen können. Daraus folgert er als Warnung für die Leser: „Sie haben einfach keine Zeit, Kitsch oder auch nur Durchschnittliches zu lesen: Sie schaffen in ihrem Leben nicht einmal sämtliche Bände der Hochliteratur!“ Da stellt sich nun die alles entscheidende Frage: Wie wählt man seine Bücher aus?

Besonders in der Vorweihnachtszeit behelfen sich viele mit einem Blick auf die aktuellen Bestsellerlisten. Diese Listen werden verständlicherweise von den Verlegern erstellt, um den Umsatz der Ware Buch zu steigern. Viele Großbuchhandlungen im In- und Ausland spezialisieren sich immer mehr auf diese „Stapelware“: Jene Bücher, von denen man ausgeht, dass sie dem Geschmack der Allgemeinheit entsprechen. Sie machen sich gut auf dem Gabentisch zu Weihnachten. Doch eine kulturelle Verengung auf das Gängige impliziert die Herrschaft des Mainstreams.

In dieses Bild passt, dass das einzige Antiquariat in Luxemburg mit einer guten Auswahl an Luxemburgensia diesen Sommer schließen musste. Das Buch ist viel zu oft kein Kulturgut mehr, sondern oft nur ein Ding, das man dann in die Altpapiertonne wirft, so wie die Zeitung von gestern.

Die „geheiligte Ware Buch“

Das Image der „geheiligten Ware Buch“ (Brecht) leidet. Beispiel: Sarrazin. Sein „Sachbuch“ befindet sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Luxemburg auf der Bestsellerliste. In großen Buchläden liegt es stapelweise aus. Das Verfallsdatum von Büchern wie diesem zeigt jedoch nicht weit in die Zukunft: Sie sind kurz in Mode und in aller Munde, nach ein paar Wochen jedoch werden sie verramscht. Bei Sarrazins Schrift freilich, ist dies eher zu begrüßen.

In Luxemburg ist die Verlegerwelt zwar klein, aber streiten können sie dennoch wie die Großen. Auch wenn es nun scheint, als ob der letzte große Streit – im Sinne des Kulturgutes Luxemburger Buch – jetzt beigelegt werden könnte. Denn, wie Susanne Jaspers, Präsidentin der Editeure auf der Verleihung des Luxemburger Buchpreises verkündete, werde das „Luxemburger Buch“ von nun an nicht mehr vom Verband, sondern vom Kulturministerium vertreten. So werden Verlage wie „ultimomondo“, die nicht Mitglied im Verband sind, nicht mehr von vorneherein ausgeschlossen, wenn es zum Beispiel um die Präsenz auf ausländischen Messen geht. Ein Zeichen für das Verantwortungsbewusstsein von Schriftstellern, Verlegern und Buchhändlern, die wohl doch nicht vergessen haben, dass sie eben nicht nur eine Ware, sondern ein Kulturgut höchsten Ranges an die Öffentlichkeit bringen.

Auch wenn man schmunzelnd feststellen muss, dass die oberen Plätze der nationalen Bestsellerliste Luxemburgs oft von Kochbüchern oder, wie zurzeit, von der Geschichte des Luxemburger Radsports (Nr. 1 im Oktober), von dem Band „Luxemburgs Vögel 2010“ (Nr. 3 im Oktober) oder auch über Monate hinweg von ein und demselben Buch, dem von Me Vogel, belegt werden.

Dass das Buch das Kulturgut ist, welches unsere Zivilisation am meisten geprägt hat, wird niemand ernsthaft bestreiten, selbst wenn zwischen zwei Pappdeckel auch die Einlassungen von Sarah Palin oder George W. Bush passen. Nach Palins erstem Buch „Going Rogue“, das im vergangenen Jahr das bestverkaufte „Sachbuch“ der USA war, erschien nun am 23. November „America by Heart: Reflections on Family, Faith and Flag“. Unwillkürlich ist man bei diesem Untertitel (Familie, Glauben und Fahne) an die Devise Pétains „Travail, Famille, Patrie“ erinnert. Auch Bush junior setzt neuerdings auf das Kulturgut Buch: „Decision Points“ heißen seine Memoiren – „Entscheidungspunkte“. Bush vereinfacht, verklärt, belebt alte Mythen und schafft neue, wohl um seine ramponierte Respektabilität und die eigene Legendenbildung voranzutreiben.

Kulturgut Buch? Im Prinzip ja! Aber immer mit Arno Schmidt im Hinterkopf: Beim Kauf sorgfältigst auswählen und „entscheiden“! Das Leben ist einfach zu kurz für schlechte oder überflüssige Bücher!