Ausgedient

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Jean-Claude Juncker: Dieser Name lässt wohl niemanden – ob in Luxemburg oder in Rest-Europa – kalt. Zu Neudeutsch würde man sagen, der Mann polarisiert.
Der Mann, der am vergangenen 21. Dezember 30-jähriges Regierungsjubiläum feierte (davon rund 18 als Regierungschef), der Mann, dem man ähnlich einem Helmut Kohl nachsagt, er habe immer das bessere „Sëtzlieder“ und genau aus diesem Grund so manchen politischen Kompromiss (von Sieg wollen wir nicht sprechen) erreichen können.
Jean-Claude Juncker ist aber auch der „begnadete Rhetoriker“, der Mann, der (fast) hunderttausend Auszeichnungen sein Eigen nennen kann.

JCJ alias „der Chef“ hat in den vergangenen Jahren aber auch viel Kritik einstecken müssen, sowohl auf europäischer Bühne als auch national. Das „Traumduo“ Merkozy hat ihm mitunter auf EU-Ebene zu schaffen gemacht, während er, Juncker, diese Angriffe parieren musste.
Und nun gibt Juncker auf, bzw. zumindest seinen Sitz an der Spitze der Eurogruppe ab. Und wenn man den zahlreichen Interviews Glauben schenken darf, will Juncker auch keinen anderen Posten innerhalb der Union. Zuletzt sagte er dies den VDI-nachrichten. Ist da etwa jemand ein bisschen säuerlich?

Aber wie dem auch sei, Premierminister Jean-Claude Juncker will sich eigenen Aussagen zufolge wieder voll und ganz auf die nationalen Themen und Probleme konzentrieren.

Müde

Nur hat die Sache einen Haken. Jean-Claude Juncker scheint müde. Physisch und intellektuell. Nehmen wir als Beispiel das „große“, mehr als einstündige Interview zu Neujahr auf RTL. Hier gibt es nur ein Fazit: Jean-Claude Juncker enttäuschte auf der ganzen Linie. Nichts Neues, keine neuen Anhaltspunkte, kein richtiger Ausblick, keine politische Strategie für das Land. Jean-Claude Juncker scheint sich mittlerweile selbst zu genügen. Er ist der „letzte Kommunist“, der Aufrichtige, der Ehrliche …

Mehr hat JCJ zumindest im Fernsehinterview nicht zu bieten. Nun kann man sagen, dass ein Interview immer nur so gut wie der Fragesteller, in diesem Fall die Fragestellerin, ist. Aber Letzterer ist an dieser Stelle wohl kaum ein Vorwurf zu machen. Sie hat ein nettes, ansatzweise kritisches Interview geführt. Jean-Claude Juncker war in seinem Element und konnte ein ums andere Mal seinen rhetorischen, wenn auch abgenutzten „Akrobatien“ freien Lauf lassen.

Gleichzeitig, trotz aller Kritik, muss man aber eine Lanze für den „Rekord-Premier“ brechen. Wie bereits anfangs angedeutet, ist (oder sollten wir besser „war“ sagen?) er ein herausragender Politiker, der ohne Zweifel dem Land und Europa seinen Stempel aufgedrückt hat. Zudem muss man verstehen, dass JCJ mittlerweile, wie der Spiegel in einer seiner letzten Ausgaben schrieb, „zu Belehrungen neigt oder zu demonstrativer Müdigkeit“. Schließlich ist er eben schon seit 18 Jahren Premier (wenn auch eines kleinen Landes), er ist/war Eurogruppen-Chef und „last but not least“ ist die CSV mittlerweile zu „seiner“ Partei geworden („déi mam Juncker“).

Narrenfreiheit zugestehen darf und kann man dem Noch-Premier deswegen aber nicht. Alle Leistungen in Ehren, aber die Frage darf gestellt werden, ob 30 Jahre Regierung nicht genug sind. Vor allem dann, wenn man keinen Zukunftsplan für ein Land hat, wenn einem sogar innerhalb der eigenen Partei alle Felle davonschwimmen.
Es wäre so weit, und das müssten auch die Wähler erkennen, dass die Zeit eines JCJ, so glorreich sie in der Vergangenheit auch gewesen ist, vorbei ist. Es sei denn, der Mann, der ein ums andere Mal bekennt, dass ihn in seinem Leben nichts mehr überraschen kann, vermag die Luxemburger Politik noch einmal zu überraschen.