Aufklärung tut not

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Luxemburg könne im Bereich der Solidarwirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen, meinte der zuständige Minister Romain Schneider kürzlich. Eigentlich hat Luxemburg diese Vorreiterrolle, ob es will oder nicht, bereits inne. Überall, wo der Solidarwirtschaft eine Bedeutung zugemessen wird, werden die Verantwortlichen ganz genau das luxemburgische Experiment verfolgen.

Dass es sich um ein Experiment handelt, steht außer Zweifel, denn obwohl der Anteil der Solidarwirtschaft am weltweiten Bruttosozialprodukt mittlerweile zehn Prozent betragen soll, gibt es hierzulande den europaweit bisher einzigen Minister für Solidarwirtschaft.

Die Regierung hat ihre Vorstellung zu diesem Thema im Koalitionsabkommen ziemlich vage formuliert. Die Aktivitäten der Solidarwirtschaft sollen geregelt werden. Den „Vereinigungen kollektiven Interesses“ soll dazu eine gesetzliche Basis gegeben werden. Eine Arbeitsgruppe soll sich außerdem mit der Frage einer eventuellen Finanzierung der Solidarwirtschaft an sich beschäftigen. Mit dem „an sich“ wären wir schon bei einem der Hauptprobleme, mit denen die Solidarwirtschaft in Luxemburg und auch sonst überall zu kämpfen hat.

Die breite Öffentlichkeit weiß kaum, was Solidarwirtschaft eigentlich ist. Öffentlichkeitsarbeit wird wohl, wie der Minister eingestand, einen Großteil seiner Arbeit in den nächsten Jahren ausmachen.

Verschwommene Vorstellungen

Oft wird die Solidarwirtschaft mit den Beschäftigungsinitiativen verwechselt. Die Aktivitäten überschneiden sich zwar manchmal, aber die Philosophien sind grundverschieden. Beschäftigungsinitiativen sind Instrumente zur Schaffung von Arbeitsplätzen; die Dienstleistungen, welche der Gesellschaft angeboten werden, sind quasi ein Nebenziel.

Bei der Solidarwirtschaft steht der Dienst an der Gesellschaft im Vordergrund, die Arbeitsbeschaffung ist dabei ein willkommenes Nebenprodukt. Hier wird zudem großer Wert auf ein demokratisches und transparentes Management gelegt. Überschüsse werden dazu genutzt, die Angestellten gerecht zu entlohnen, und vor allem in den Betrieb reinvestiert.

All dies ist bei einer Beschäftigungsinitiative nicht unbedingt der Fall. Zusätzliche Unklarheit schaffen die Kritiken von Seiten der Klein- und Mittelbetriebe, es handele sich bei der Solidarwirtschaft um unlauteren Wettbewerb, wobei sich oft herausstellt, dass sich die Kritik eigentlich gegen die Beschäftigungsinitiativen richtet. Solidarwirtschaftliche Betriebe finanzieren sich zum größten Teil selbst, wie z.B. das Gärtnereiunternehmen Colabor, wo die Mehrheit der Angestellten einen unbegrenzten Arbeitsvertrag hat.

Zurzeit sind dort etwa 45 Personen in einer Beschäftigungsmaßnahme, die nur ein Teil des Unternehmens sind. Wenn Kritiker behaupten, die Solidarwirtschaft könne die Preise drücken, weil ihre Arbeit staatlich gefördert werde, lassen sie – vielleicht bewusst – außer Acht, dass mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung quasi jeder Betrieb eine Beschäftigungsmaßnahme schaffen kann.

Die Verfechter der Solidarwirtschaft müssen sich allerdings die Kritik gefallen lassen, dass sie es bis dato nicht fertigbrachten, der breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen, wann ein Betrieb als solidarwirtschaftlich gilt. Bislang sind sie nicht in der Lage, zu sagen, wie viele dieser Betriebe es bei uns gibt.

Das Manko wurde allerdings erkannt und in Kürze soll eine Charta vorgestellt werden, die versucht, den Bereich zu definieren. Mittelfristig soll auch eine Website entstehen, die alle Akteure des Sektors auflistet. Allerdings ist es jedem Betrieb, der sich mit der Charta identifiziert, selbst überlassen, ob er sich dort einträgt oder nicht, was nicht zu einem klaren Bild des Bereiches beitragen wird. Größere Klarheit täte dem Sektor aber gut, auch im Hinblick auf eine eventuelle Finanzierung.

Claude Molinaro
cmolinaro@tageblatt.lu