Aufarbeitung

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(Alain Rischard/editpress)

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Institutionalisierter sexueller Missbrauch

Jüngst wurde die altehrwürdige britische Fußballwelt durch die Bekenntnisse des ehemaligen, nun 43 Jahre alten Profis Andy Woodward aufgeschreckt, der nach Jahren des Schweigens auspackte und seinen ehemaligen Trainer beschuldigte, ihn im Alter zwischen 11 und 15 Jahren regelmäßig sexuell missbraucht und – für den Fall, dass er über die Ereignisse reden sollte – bedroht zu haben. Es ist im Fall von sexuellem Missbrauch in der Kindheit durchaus üblich, dass die sexuellen Übergriffe vom Opfer erst einmal verdrängt werden, und das jahre- bis jahrzehntelang.
Der britische Fußballverband reagierte, interne Ermittlungen wurden bei mehreren Vereinen durchgeführt, die Generalstaatsanwaltschaft ermittelte. Auch in Luxemburg meldeten sich erst nach Jahrzehnten Opfer sogenannter sexualisierter Gewalt, nachdem im Ausland mehrere Fälle für Schlagzeilen gesorgt hatten.

Die Gespräche mit Betroffenen waren erschütternd: Fest in die Gesellschaft integrierte erwachsene Männer mit gutem Einkommen und Familie schafften es einfach nicht mehr, das Erlebte weiter zu verdrängen. Von zunehmenden Selbstzweifeln über notwendige Besuche bei Psychologen und Psychiatern bis hin zu versuchtem Freitod reichten die Reaktionen auf das Schreckliche, was ihnen als wehrlose Kinder wiederfahren war.

Das Bistum kam damals (vor wenigen Jahren) nicht daran vorbei, sich nach langen Jahren des quasi institutionalisierten Schweigens mit dem – oft von Pfarrern verübten – Missbrauch Schutzbefohlener (der klassische Fall war sexuelle Gewalt an Messdienern) auseinanderzusetzen.

Ein zumindest moralischer Skandal, wenn auch kein juristischer

Da die allermeisten Fälle verjährt waren, wurde immerhin eine Arbeitsgruppe mit integrierter Hotline eingesetzt: Die Kirchenoberen versprachen Aufklärung. Die innerkirchliche Kommission, die von Mil Majerus geleitet wurde, entwickelte anfänglich auch eine gewisse Dynamik, nach dem plötzlichen Tod des weltoffenen CSV-Mannes allerdings wurde es schnell ruhig um die interne Aufklärungskampagne, die ohnehin bei vielen Betroffenen im Verdacht stand, als eine Art Blitzableiter zu fungieren. Den Bock zum Gärtner zu machen, funktioniert eben in den seltensten Fällen.
Der Staat reagierte damals und führte längere Verjährungsfristen und strengere Strafen ein, die allerdings nicht rückwirkend gelten.

Dies erlaubte es unlängst dem ehemaligen Pfarrer von Belair, trotz Geschlechtsverkehr mit einem Schutzbefohlenen in Taizé und trotz widersprüchlichen Aussagen in erster Instanz straffrei davonzukommen; ein zumindest moralischer Skandal, wenn auch kein juristischer.

Unlängst erschien nun ein Buch, das sich mit einem weiteren gut abgeschirmten und weiterhin gehüteten Skandal beschäftigt: dem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in katholischen Heimen. „Die Hölle im Kinderheim“ (Renée Wum, Books on demand, www.buecherwum.com) behandelt die Kinderheime in den Fünfzigerjahren. Wer allerdings mit Menschen spricht, die in einem solchen Heim waren, merkt schnell, dass es auch lange danach noch zu institutionalisiertem Missbrauch kam.
Und auch damit war ein Ende des katholischen „Sündenfalls“ nicht abzusehen. Bis vor kurzem gab es zumindest ein Dienstleistungsunternehmen in jenen Kreisen, das andere Dienste anbot als die vorgegebenen …