Alles hat seinen Preis

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"Das Wort 'Preisverleihung' spielt im öffentlichen Leben Frankreichs eine große Rolle, und das System der Preisverteilung entspricht einem tiefen Bedürfnis des Franzosen nicht nur nach objektiver Anerkennung, sondern auch nach Publizität", schrieb ein Journalistenkollege bereits im Jahre 1948 in der Zeit.

Frankreich sei nun einmal Vorreiter darin, das geistige Leben nicht in einen Elfenbeinturm zu verbannen, sondern ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Es sieht so aus, als hätten sich andere Länder daran ein Beispiel genommen. So hat Deutschland alleine auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mehr als 50 Buchpreise verliehen. Und selbst in Luxemburg kann man mittlerweile leicht den Eindruck gewinnen, es gäbe jährlich mehr Literaturpreise als literarische Neuerscheinungen …

Doch was ist dran an dieser „objektiven Anerkennung“, an dieser Brücke zwischen geistiger Welt und der des Alltags? Eines ist sicher: Die Entscheidungen der Jurys haben Folgen. Vor allem kommerzieller Art. Sie lenken vielleicht nicht unbedingt den Lese-, sicher jedoch den Kaufgeschmack der Massen.

Während der Gewinner des wichtigsten Literaturpreises Frankreich, des Prix Goncourt, gerade einmal einen symbolischen Scheck von zehn Euro überreicht bekommt, garantiert das rote Bändchen, das sein Buch in Zukunft auf den Tischen der Buchhandlungen schmücken wird, den Verkauf von mindestens 200.000 bis zu 500.000 Exemplaren mehr. Sein Verleger wird nachdrucken, eine Taschenbuchausgabe in Umlauf bringen, über eine Gesamtausgabe nachdenken, eine Lesereise organisieren und schnell ein neues Manuskript anfordern. Mit Garantie auf Veröffentlichung. Der Gewinner des Prix Goncourt hat normalerweise ausgesorgt.

Doch kein noch so angesehener Preis ist Garant für einen Platz im Olymp der Unvergessenen. Ganz im Gegenteil. „Die sich ermächtigt fühlen, Literaturpreise zu verteilen, haben in der Regel nicht viel mit Literatur zu tun“, lässt Max Frisch seinen Stiller sagen. Denn wenn Akademien, Verlage, Städte, Stiftungen, Ministerien oder Zeitungen Preise vergeben, dann ehren sie damit in erster Linie sich selbst. Sie schmücken sich mit dem Namen eines Autors, dessen Werk in einer Konsensbeziehung zu ihren eigenen Wertvorstellungen steht. Und das meist schon zum angesehenen Kanon des Literaturbetriebes gehört. Von zu viel Avantgarde und zu viel Zeitkritik lässt man bei seiner Wahl lieber die Finger, schließlich könnte die Kritik eines Schriftstellers, der mit seinem Schreiben der etablierten Wirklichkeit entgegenwirkt, auch einen selbst treffen …

Literaturpreise sind Modeerscheinungen. Die Laureaten müssen in den Zeitgeist passen. So wie man in diesem Herbst viel Glitzer und Leder anzieht, so liest man eben auch Patrick Modiano (Literaturnobelpreis 2014) und Adrien Bosc („Grand Prix du roman de l’Académie française“).

Wolf Biermann, 1991 Preisträger des wichtigsten deutschen Literaturpreises, des Georg-Büchner-Preises, brachte es auf den Punkt: Preise seien ja ganz nett, aber messen müsse sich „jeder Preisochse an diesem Büchner“. Dieser Büchner hat übrigens nie einen Literaturpreis gewonnen. Die Wichtigkeit seines Werkes wurde erst über 150 Jahre nach seinem Tod erkannt. Er war seiner Zeit weit voraus …