7 Denkanstöße in rauer Zeit

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Am Samstag sitzen die Minister der CSV und der LSAP beisammen, um das abzusegnen, was in Europa derzeit Mode ist: Austerität.

Obwohl Luxemburg 2011 und 2012 nicht im Geringsten gegen die strengen EU-Budgetregeln verstößt, im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern, sollen Ausgaben gekürzt und neue Einnahmen erschlossen werden. Es ginge nicht anders, wird aufgrund von äußerst fraglichen Prognosen behauptet.
Diejenigen, die jetzt in aller Namen entscheiden, berufen sich auf ihr Mandat aus dem Jahre 2009. Damals wurden sie gewählt: Es waren andere Zeiten. Heute, mit Blick auf den 1. Mai, seien ihnen, ganz friedlich, sieben Denkanstöße geschenkt.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt)

„Man kann nichts ändern, es ist eben so.“ Die Geschichte der Menschheit lehrt wieder und wieder, dass kein Zustand währt. Alles fließt und wird anders. Die Auflehnung von Millionen und Abermillionen Europäern gegen das Primat der Finanzwelt wird, nach und nach, neue Mehrheiten an die politische Macht bringen. In Frankreich kommt Hollande: ein Hoffnungsträger nicht nur für die Nachbarn, sondern für die breite Front, die sich gegen die vermeintlichen Herren des Geldes bildet. Wie erwartungsvoll sind doch die Medien inzwischen geworden, in ganz Europa, fast! Wie schnell werden sie Sarkozy und seine copains abschreiben!

Und die Geschichte der Menschheit lehrt auch dieses:
Die Reichen, hier sind die wirklich Reichen gemeint, die Milliardäre, die via Mittelsmänner und (inzwischen auch) -frauen auf das Wirtschaftsgefüge einwirken, finden ihre politischen Verbündeten und Dienstgänger natürlich in den konservativen und den liberalen Parteien.

Manchmal gelingt es der Sozialdemokratie, wenn sie es denn wirklich will, das Spiel zu durchkreuzen. Dies geschah in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Da mussten die Mitte-rechts-Gruppierungen, wie im kleinen Luxemburg CSV und DP, wohl oder übel quasi linke Züge annehmen, um die Kundschaft zu halten.

Wegen der unbewältigten Finanzkrise erscheint die Sozialdemokratie heute auf einmal alt und reaktionär mit ihrem Ideal des Sozialstaates, den sie zu schnell aufzugeben bereit war. Welch Fehler, um nicht zu sagen: welch Verrat!
In der modernen Demokratie verlangt die politische Logik eine systematische Einbindung der außerparlamentarischen, aber für relevante Gruppen repräsentativen Kräfte in die Beschlussfindung. Eine Luxemburger Regierung, beispielsweise, die im immer schwankenden Parteienwesen wurzelt, braucht, damit die Dinge Bestand haben, das Einvernehmen der Gewerkschaften und somit des Salariats.

Darf die Politik Luxemburgs an Prognosen gebunden werden, die für 2013, 2014 und 2015, also für übermorgen, eher falsch denn richtig sein mögen?
Asselborn, der unbestrittene LSAP-Leader, dem wir gerne außenpolitische Werte-Standfestigkeit bescheinigen, erklärte vor der internationalen Presse sinngemäß, es wäre nicht dramatisch, ob die Niederlande 3,0 oder 3,6 oder 4,0% Defizit machten.

Asselborn hat recht! Wichtiger als die haushaltspolitische Gegenüberstellung von laufenden Zahlen bleibt die Gesamtausrichtung des Staates! Auch in Luxemburg, wo das Defizit sich (2011) zwischen 0,3 und 0,6% bewegt, je nach der provisorischen Abrechnung.
Die Schulden, die keiner den nächsten Generationen aufbürden möchte, sind nicht da und werden nicht anfallen. Sie sind nicht da, weil ihnen reale Werte gegenüberstehen, in Form von Investitionen in veräußerbare oder produktive Aktiva.

Dass der Staat Geld leihen müsste, um sein Tagesgeschäft zu bestreiten, ist eine glatte Lüge – die allerdings am Biertisch gut ankommt. Die jetzt ins Rampenlicht gestellten „Löcher“ sind schier spekulativ, auf brüchigen Hypothesen aufgebaut.
Im Rentenumlage-Finanzierungsmodus, den die CSV 1984 in Luxemburg einführte, ist die Frage nach der Finanzierung in 20 oder mehr Jahren müßig. Der seinerzeit von Jacques Santer eingebrachte Gedanke war, und er gilt auch heute noch, dass die Aktiven für die Pensionierten bezahlen.

Es gibt im Umlageverfahren kein verbrieftes Recht auf eine bestimmte Rentenhöhe; diese kann jederzeit geändert werden!
Damit eventuell notwendige Änderungen (der Leistungen oder der Beiträge) korrekt vorbereitet werden könnten, sollte eine Reserve entsprechend anderthalbmal dem gesamten Rentenvolumen angelegt werden. Die Reserve steht jetzt bei viermal diesem Volumen. Was soll also die ganze Hektik? Sind die ungeduldigen Privatversicherer so mächtig, dass sie unnötige Eile durchsetzen können?

Das geduldigste Land Westeuropas

Luxemburg ist das geduldigste, das für Reformen offenste Land Westeuropas. Weder Deutschland noch Belgien, noch Frankreich, noch die Niederlande, noch Italien, um nur die Co-Gründer der Union zu nennen, haben sich demografisch, wirtschaftlich und soziologisch so verändert wie Luxemburg in den letzten 25 Jahren. Man prüfe es!
Diese Welt- und Europaoffenheit hatte allerdings ihren Preis. Er bestand in der manchmal, aber nur auf den ersten Blick, teuren Bereitschaft zum Konsensus.
Man hüte sich davor, dieses erfolgreiche Modell kaputtzuschlagen!