Korrespondenten-Legende Helen Thomas tot

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Sie war laut und unbequem. Mit ihren provokanten Fragen nervte sie viele Präsidenten. Jetzt ist die US-Journalistin Helen Thomas gestorben - nach einer Karriere, die Jahrzehnte überspannte.

Sie war bekannt für ihre scharfe Zunge, und als Korrespondentin im Weißen Haus begleitete sie mehr Präsidenten durch deren Amtszeit als alle anderen Journalisten. Von John F. Kennedy bis Barack Obama – sie bedrängte sie alle mit aggressiven Fragen, sie provozierte, nervte, ja verärgerte oft richtig. Und ließ sich einfach nie mundtot machen. All das machte sie in den USA zu einer Korrespondenten-Legende. Jetzt ist Helen Thomas im Alter von 92 Jahren in Washington gestorben.

In ihren letzten Jahren war es still um sie geworden. Ihr loses Mundwerk und – so sagten damals viele Journalistenkollegen – auch ihre hartnäckigen Vorurteile brachten Thomas‘ Karriere 2010 zu einem jähen Ende.

Kritische Bemerkung über Israel

Im hohen Alter, 89-jährig, stolperte sie über eine kritische Bemerkung über Israel. Die Entschuldigung wirkte halbherzig, notgedrungen verließ sie dann die journalistische Bühne – nach 57 Jahren als Korrespondentin der Nachrichtenagentur UPI und weiteren zehn Jahren als Kolumnistin für die Hearst News Services.

Helen Thomas war auch im Ausland ein bekanntes Gesicht. Bei Pressekonferenzen im Weißen Haus saß sie stets in der ersten Reihe, immer in der Mitte, immer mit knallrotem Lippenstift. Ihre Journalisten-Karriere begann 1943 bei United Press International, für die Agentur berichtete sie dann von 1961 an auch aus dem Weißen Haus. Als erste Frau schaffte sie es, Mitglied des renommierten Gridiron-Presseclubs und Präsidentin der White House Correspondents‘ Association zu werden.

Namensplakette

Auch als sie diesen Posten abgab, galt sie weiter als die eigentliche Chefin des Pressekorps. Ihr Sitz in den Pressekonferenzen war auch der einzige, der eine Namensplakette trug – sonst stehen dort immer nur die jeweiligen Medienorganisationen. Kein anderer Korrespondent machte aus seinen persönlichen politischen Sichtweisen so wenig Hehl wie sie, wagte es, Berichterstattung und eigene Meinung derart offen zu vermischen.

Das bekam seinerzeit etwa Präsident George W. Bush zu spüren, den Thomas wegen des Irak-Kriegs immer wieder attackierte. Als beispielsweise die damalige Bush-Sprecherin Dana Perino auf eine ihrer scharfen Fragen hin versicherte, der Präsident bedauere den Tod von Zivilisten, feuerte Thomas zurück: „Bedauern – das bringt kein Leben zurück.“

Fatale Bemerkung

Im Mai 2010 sagte sie einem Rabbiner in einem spontanen Interview, es sei Zeit für die Israelis, sich „zum Teufel noch mal“ aus Palästina zurückzuziehen. Die Juden sollten „heimkehren“ – nach Deutschland, Polen oder in die USA. Es war die Bemerkung, die ihr beruflich das Genick brechen sollte.

Bereits zuvor hatte die Tochter libanesischer Einwanderer immer wieder klargemacht, dass ihr Herz für die Palästinenser schlug. Mit zunehmendem Alter steigerte sich ihre Aggressivität noch. Zugleich wurden ihre Fragen immer absurder – manchmal so sehr, dass ihre Journalistenkollegen geradezu zusammenzuckten.