KlangweltenMusik-Special: Alternative Realitäten

Klangwelten / Musik-Special: Alternative Realitäten
Siena Root – „Revelation“   

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Immer wieder stolpert man über Bands, die es schon jahrelang gibt, von denen man aber nie Notiz genommen hat. Erstaunlich. Aktuellstes Beispiel ist Siena Root aus Schweden. Die Band um Sängerin und Keyboarderin Zubaida Solid existiert seit 1997. Sie macht per eigener Definition „dynamischen Roots Rock“, was man auch als 70er-Jahre-Hardrock mit psychedelischen Rock- und Folk-Anleihen bezeichnen könnte. Led Zeppelin, Pink Floyd und Black Sabbath seien als grobe Orientierungshilfen genannt.

Siena Root
Siena Root Foto: Petter Hilber

Da es ist die Band schon so lange gibt, ist „Revelation“ (9 Punkte) ihr bereits achtes Album und das erste für das noch recht junge deutsche Label Atomic Fire Records, das u.a. der Nuclear-Blast-Gründer Markus Staiger leitet. Mit Siena Root steht eine spannende Band unter Vertrag, die dank der Stimmgewalt von Solid, des guten Zusammenspiels zwischen Gitarrist Johan Borgström, Bassist Sam Riffer und Schlagzeuger Love Forsberg, des Jam-Session-Charakters ihrer Songs und ihres Old-School-Sounds überzeugt – siehe „Professional Procrastinator“, „Dusty Roads“ und das orientalisch angehauchte „Madhukauns“.


Night Demon – „Outsider“
Night Demon – „Outsider“    

Klassischen Heavy Metal serviert Night Demon. Was nicht heißen soll, die Songs des kalifornischen Trios seien schnöde und altbacken. Ganz im Gegenteil. Auf ihrem dritten Album „Outsider“ (8 Punkte) klingen die drei absolut frisch. „Obsidian“ spiegelt etwa nicht nur ihr spielerisches Können, sondern auch ihre Spielfreude wider.

Sänger und Bassist Jarvis Leatherby hat sich diesmal ein Konzeptalbum ausgedacht. Er ist ein begeisterter Fan von Horrorfilmen. Das und die Tatsache, dass er während der Pandemie zeitweise auf dem Land in Nordirland verbracht hat, haben ihn zu diesem Album inspiriert. Es geht um alternative Realitäten, mysteriöse Portale und Übernatürliches. Das hat er mit universellen menschlichen Gefühlen wie Entfremdung, Verlust, Bedauern und Rache vermischt. Er hat aus seinem Exildasein also das Bestmögliche gemacht. Und auch seine Band hat sich ins Zeug gelegt, damit „Outsider“ einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Der Titelsong und „Escape From Beyond“ sind eindeutige Indizien hierfür.


Sehr derbe Kost bietet Treedeon auf „New World Hoarder“ (7 Punkte). Der Sludge/Noise Metal des Berliner Trios ist brutal, düster und hoffnungslos. Hinter dem Projekt stecken die ehemalige Jingo-De-Lunch-Frontfrau Yvonne Ducksworth, Arne Heesch, bekannt geworden als Sänger und Gitarrist der Noiserocker Ulme, und Schlagzeuger Andy Schünemann vom Postrock-Duo Alphatrip. „New World Hoarder“ ist ihr drittes Album und zielt auf all jene Sludge-Fans ab, die den dreckig-derben Klangmorast von Buzzoven oder Eyehategod zu schätzen wissen. Runtergestimmte Gitarren, Schreie, Growl-Gesänge und Harmoniegesang im Wechsel plus Texte voller Aussichtslosigkeiten. „How do you want to live? / How do you want to die? / In plastic, poisoned idles? / Or water, fire, earth and sky?“, heißt es beispielsweise in „Omega Time Bomb“. Bassistin und Sängerin Ducksworth sagt, sie werde immer versuchen, beim Songwriting ihren tiefsten Gefühlen treu zu bleiben. Da schlummert scheinbar viel Finsternis tief in ihr …


Indes viel Selbstbewusstsein hat Schizophrenia. Die belgischen Death Thrasher hatten zahlreiche Labelangebote, schlugen diese jedoch aus und veröffentlichten zu Beginn des letzten Jahres ihr beachtliches Debütalbum „Recollections Of The Insane“ in Eigenregie. Dieser Vorgehensweise bleiben sie treu und legen mit der Cover-EP „Chants Of The Abyss“ (8 Punkte) nach. Darauf präsentieren sie Songs bekannter alteingesessener Metal- und Punkbands: „Necrophiliac“ von Slayer, Morbid Angels „Maze Of Torment“, „Metal Meltdown“ (Judas Priest), „Bullet“ (Misfits), „Strike Of The Beast“ (Exodus) und „Race Against Time“ (GBH). Einmal querbeet also – vom klassischen Metal (Judas Priest) über Grindcore (Morbid Angel) bis zu britischem Punk (GBH). Die Band hat den Originalen ihren eigenen Thrash-Metal-Stempel aufgedrückt und kommt in „Metal Meltdown“ sogar recht nah an Rob Halfords Gesang ran. Sehr beachtlich.

(Kai Florian Becker)