Corona-Tagebuch (36)Der neue Sonnenschirm

Corona-Tagebuch (36) / Der neue Sonnenschirm
In meinem Garten, mit vielen neuen Pflanzen und altem Sonnenschirm, da bin ich Mensch, da darf ich sein – natürlich oben ohne Foto: Marco Goetz

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Das Coronavirus beherrscht weiter das Leben in Luxemburg. Die Lage ist ernst, jedoch nicht hoffnungslos. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch im Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt.

Liebes Tagebuch. Das war ja wieder mal eine echte Grillorgie an diesem Wochenende. Dazu gab es Rosé, einen vorzüglichen Chardonnay und viel Gemüse vom Escher Wochenmarkt. Blöd nur, dass ausgerechnet jetzt, bei diesem herrlichen Frühjahreswetter, unser Sonnenschirm den Geist aufgegeben hat. Am vergangenen Donnerstagnachmittag wurde er von einem hinterhältigen Luftstoß niedergestreckt.

Nach drei Stunden Wartezeit hat er am Freitagmorgen in Schifflingen seine letzte Ruhestätte gefunden – im Recyclingpark. Vielleicht kann ja ein geschickter Bastler noch etwas mit den Holzstangen anfangen? Oder mit dem burgunderroten Stoff? Vielleicht Masken nähen?

Wobei, mit den Masken, das ist ja vielleicht gewöhnungsbedürftig und irritierend – besonders auf den Lippen. Das habe ich am Samstagmorgen erfahren müssen, als ich bereits kurz vor acht vor den Toren der Belle Etoile stand – und, ja, auch um die Uhrzeit bereits in der Warteschlange. Ansonsten war es aber ganz in Ordnung. Die Sonne schien, die Menschen waren geduldig und außerdem ging es recht schnell.

In der Abteilung für Gartenmöbel und Sonnenschirme war nichts dabei, wo man gleich zugreifen möchte. Unpassende Größen, nicht die richtige Farbe oder zu teuer. Also gings anschließend noch in drei (!) Baumärkte.

Liebes Tagebuch, ich war noch nie so früh am Morgen in einem Baumarkt, kann also nicht wirklich vergleichen, aber da war vielleicht etwas los. Doch alles hat wie am Schnürchen geklappt. Überall freundliche Menschen, die den Weg zu einem freien Parkplatz weisen, den Einkaufswagen nach jedem Gebrauch wieder auf Hochglanz bringen und durch den labyrinthartigen Eingangsbereich loten. Es war ein bisschen wie im Freizeitpark bei den besonders beliebten Spielen: „Ab hier noch 30 Minuten Wartezeit!“

Einen neuen Sonnenschirm habe ich leider auch dort nicht gefunden. Liebes Tagebuch, du ahnst es, die Größe, die Farbe oder der Preis stimmten nicht. Doch Vorfreude ist die schönste Freude. Im Garten hinterm Haus stehen statt neuem Schirm nun jede Menge neuer Pflanzen. Bewacht werden sie von einem uralten Sonnenschirm, den ich in der hintersten Ecke des Kellers wiederentdeckt habe. Not macht erfinderisch.

Mit dem Fahrrad bin ich dann gut gelaunt nach Esch gefahren. Zum Einkaufen. Viele Menschen grüßen, aber so ganz sicher bin ich mir nicht, wer’s war. Habe aber einfach mal hinter meinem Mund- und Nasenschutz einen lieben Gruß zurückgenuschelt. Blöder Stofffetzen. Außerdem macht er mir abstehende Ohren. Nur gut, dass ich nicht eitel bin.

Gut ist auch, dass man dieses Unding nicht auch beim Spazierengehen tragen muss. Warum es einige trotzdem tun oder sogar alleine im Auto, ist mir schleierhaft. So wird’s nicht mit der perfekten Gesichtsbräune. Selbstverständlich trage ich auch im Garten oben ohne. Inmitten der neuen Pflanzen und meinem wieder in Dienst genommenen alten Sonnenschirm bin ich zu Hause. Gerne und zufrieden. Na ja, Aussicht auf ein paar im Abendlicht rosenrot leuchtende Dolomitengipfel wäre nicht schlecht. Zur Abwechslung. Möglichst bald, liebes Tagebuch!

Das Tageblatt-Tagebuch

Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu bewahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit dem 16. März (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.