Der rasende Reiz der Unvernunft

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Der Nissan GT-R ist ein Sportwagen, den keiner braucht aber alle verehren.

Mit dem GT-R hat Nissan einen strassentauglichen Rennwagen im Programm, der die wenigen Konkurrenten in seinem Segment das Fürchten lehrt und bei entsprechender Behandlung neue Dimension des absoluten Fahrgenusses eröffnet. Den Schlüssel zu dieser anderen Dimension sollte man allerdings nicht jedem aushändigen.

Harter Bursche

So beeindruckend wie er aussieht, fährt er auch. Und das ziemlich schnell. Der GT-R ist ein harter Bursche, der keine Zugeständnisse an Komfort und Behaglichkeit macht, er ist ein reiner Sportwagen, der sich im Alltag so überflüssig vorkommt wie ein Streuwagen in der Sahara. Seine Jagdgründe sind die deutsche Autobahn und die geschlossene Rennstrecke. Dort wird entweder gebaut oder es ist tatsächlich geschlossen. Natürlich hat Nissan ihn abgerichtet für den Einsatz im normalen Verkehr. Er staut, wo Stauen angesagt ist und er fliesst, wenn fliessender Verkehr ist, doch so ganz wohl fühlt wer sich nicht dabei. Einen festen Tritt aufs Gaspedal nimmt er als Anforderung zum Angriff an, gut zureden muss man ihm nicht lange.

„Kannst du nicht etwas schneller durch die Kurven, ich möchte das mit der G-Force einmal spüren, bettelte Oma mit den Springerstiefeln und rührte in ihrem Martini. „Oma, das wären in dem Fall Steilwandkurven und die gibt es nicht auf einer Autobahn.“ Es ging einigermassen zügig an jenem Sonntag morgen über eine deutsche Autobahn in Eifelnähe. Ein paar Kilometer freie Fahrt, dann wieder eine Baustelle, dann wieder Vollgas und kurz darauf wieder Abbremsen. Es ging rauf und runter, auch lang gezogene Kurven waren dabei und nur wenig Verkehr, umso besser. Mit 3,8 Liter V6 Doppelturbo-Motor und 6-Gang-Automatik, mit intelligentem Allrad und einem Fahrwerk, das auf der Strasse liegt wie einst Maradona im Strafraum und mit 570 PS stehen die Zeichen auf Sturm, wann immer man es will, leider nicht immer dort, wo man es gerade möchte.

Einmaliger Sound

Der Sound des GT-R ist einmalig, beim Anlassen stehen einem die Haare zu Berge, ebenso wie bei voller Beschleunigung, wo man in die Sitze gepresst wird wie früher, wenn man die Freundin zu spät nach Hause brachte und ihr Vater einen gekonnt am Kragen hob und gegen die Wand drückte. Der V6 gurgelt nicht, er brüllt, aber wohlgetunt und zwar nur so laut bei langsamem Anfahren oder gemütlichen Stadtbummel, Verzeihung für diesen Ausdruck, dass sich die Leute umdrehen aber nicht gleich mit Gartenmöbel oder Feuerlöschern nach einem schmeissen. Bei Vollast auf der Autobahn ist der Klang im Donnergroll-Modus, aber meist ist man an den Autos vorbei bevor deren Insassen sich fragen, ob Opa auf der Rückbank wieder Rammstein aufgelegt hat oder ein F-16 gerade vorbei geflogen ist.

Ich wollte Oma noch erklären, wie es sich mit den Sensoren verhält, welche die Längs- und die Querbeschleunigung, den Lenkwinkel und den Gierwinkel abtasten und entsprechend die Kraftverteilung an beide Achsen einstellen. „Was ist denn Gierwinkel? fragte Oma und fischte mit ihrem Klappmesser im Olivenglas. „Gierwinkel, erklärte ich, ist wenn du das Lenkrad so weit drehst wie du annimmst, es bei der Einfahrt in eine Kurve tun zu müssen. Die Sensoren korrigieren das und errechnen den realen Winkel.“ „Ja, warum lenkst du denn überhaupt noch? Früher hatten wir auch Spass mit Kurven aber wir mussten uns nicht solchen Schwachsinn anhören!“

Ich könnte jetzt noch von dem Interieur, den tollen Recaro-Sitzen und der gepflegten Lederverkleidung an Türen und Armaturenbrett reden. Oder von der Rückbank, wo man ohne Zweifel 2 Sitzplätze erkennt, die vielleicht für Kleinkinder gedacht sind, obwohl einer, der so ein Auto fährt, kaum die Zeit findet um welche zu machen. Doch ich empfehle nur, ihn selbst erleben, den Nissan GT-R, so lange man es noch kann, bevor Umweltschützer von den japanischen Walfängern ablassen und stattdessen Jagd auf den letzten Dinosaurier machen, der noch Angst und Schrecken auf unseren Strassen verbreitet.