/ Zwischen Moskau, New York und Esch
Es war seine Liebe zu Wein, die Konstantinov die Türen nach Luxemburg öffnete. Im Jahr 2006 lernte er auf einer Party in Moskau den Escher Architekten Nico Engel kennen.
Der Funke zwischen den beiden sprang sofort über. Sie hatten den gleichen Weingeschmack. Die Party wurde lustig. „Wir redeten über Wein, andere Themen kamen dann wie von selbst“, erinnert sich Konstantinov an sein erstes Gespräch mit Engel.
Und so kam es, dass Konstantinov und Engel im Rahmen des Kulturjahrs 2007 ihr erstes gemeinsames Projekt realisierten. Die Erinnerungen an den blauen Hirschen, der in zahlreicher Ausführung die mehrere Meter breite und hohe Wand auf der place d’Armes schmückte, ist bei vielen sicher noch präsent. Denn das Kunstwerk viel auf:
Es war riesig, man konnte nicht daran vorbeigehen, ohne es wahrzunehmen. Ein Jahr lang begleitete das vor allem in Blau gehaltene Kunstwerk „Wandering forest“ die Passanten auf der place d’Armes, doch nur die wenigsten wussten von dem Künstler, der dahinter steckte. Aleksander Konstantinov wurde am 14. Dezember 1953 in Moskau geboren, wo er auch heute überwiegend lebt und arbeitet. Einen zweiten Wohnsitz hat er in New York. Er ist Doktor der Mathematik, war in der Forschung tätig und hat jahrzehntelang an der Universität in Moskau unterrichtet.
„Ich musste mich nach meinem Studium professionell zwischen Kunst oder Mathematik entscheiden“, erzählt Konstantinov. Die damalige politische Situation Ende der siebziger Jahre in Russland machte ihm die Entscheidung leicht: Um seine Kunst frei ausüben zu können, sollte er besser nicht von ihr abhängen. Und so arbeitete er als Mathematiker und behielt seine Kunst als Hobby. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat. Denn durch seine künstlerische Freiheit konnte Konstantinov nicht nur in Russland, sondern überall auf der Welt an Kunstprojekten teilnehmen. Ob in europäischen Ländern, wie Luxemburg, Deutschland, Frankreich, Österreich, Norwegen oder der Schweiz oder auch in den USA – überall auf der Welt hat Konstantinov mit seiner Kunst Spuren hinterlassen.
Was dem Künstler an seiner Arbeit wichtig ist, ist die Unvergänglichkeit seiner Kunstwerke. Er integriert sie in den öffentlichen Raum, macht sie zu einem Teil der Landschaft und bindet sie bewusst in architektonische Projekte mit ein. „Galeriekunst ist nichts für mich.
Ich verstehe mich als Diener der Natur und des öffentlichen Raums“, fasst Konstantinov seine Motivation zusammen. „Ich möchte durch meine Kunst mit der Gesellschaft in einen Dialog treten.“
Seine beiden letzen Projekte in Luxemburg legen darüber Zeugnis ab.
Seine Kunstwerke sind öffentlich, Menschen sehen sie, ohne sich vorzunehmen, sie zu sehen. Als Besucher der städtischen Bibliothek zum Beispiel. Denn dort hat Konstantinov eine mehrere Stockwerke hohe Wand realisiert, die zu einem Teil des architektonischen Bauwerks geworden ist. Eine aus Reliefs zusammengesetzte Wand, die an die Ursprünge von Bibliotheken erinnert und gleichzeitig darauf aufmerksam machen soll, dass es so scheint, als würden Bibliotheken im digitalen Zeitalter an Wert verlieren. Durch die Reliefs schlägt der Künstler einen Bogen ins alte Ägypten, dort wo vor über 2.500 Jahren zum ersten Mal öffentliche Bücher in Reliefform gefunden wurden. Auch das Projekt am Escher Busbahnhof hat einen direkten Bezug zu den Besuchern, die zufällig an dem Kunstwerk vorbeikommen. Sie hetzen zwischen Zug und Bus hin und her, ihr Herz klopft stark, da sie in Eile sind. Diesen Zustand hat Konstantinov in Kunst umgewandelt.
Kardiogramm aus 1.500 Stahlelementen
Aus über 1.500 einzelnen Elementen hat Konstantinov ein 40 Tonnen schweres und über zwölf Meter hohes Kardiogramm geschaffen. Seine Installation steht für die Schläge der Herzen jener Menschen, die täglich zwischen den öffentlichen Verkehrsmitteln hin und her eilen.
Die Entscheidung für das Material war schnell gefallen. „Esch ist Stahlhauptstadt von Luxemburg, Luxemburg ist Stahlhauptstadt von Europa, also ist Esch Stahlhauptstadt von Europa“, führt der Mathematiker Konstantinov den Dreisatz vor, der ihn zur Materialauswahl getrieben hat. Das Kunstwerk ist noch nicht ganz fertig, soll aber bis zur Eröffnung des Busbahnhofes am 9. November stehen.
Und danach? Projekte hat Konstantinov viele. Doch konkret möchte er sich darüber noch nicht äußern. Jetzt fährt er erst einmal nach New York. Doch es sei sicher, dass er nach Luxemburg zurückkommt. Schließlich hat Nico Engel noch viele Schätze in seinem Weinkeller.