Zur Erinnerung: Jazz-Legende lebt noch

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Herbie Hancock liebt Jazz nicht nur. Herbie Hancock lebt Jazz. Wie sonst mag man sich erklären, dass ein 70-Jähriger auf der Bühne so aufblühen kann; mit so viel Kraft, Ausdauer und Freude seine Musik dem Publikum überreicht als wär es ein wohlverdientes Geschenk.

Die Jazzlegende Herbie Hancock kam an diesem Sonntagabend in die Rockhal nach Esch und man fragt sich, ob das Wort „Legende“, das seinem Namen zumeist beigefügt wird, bei den Luxemburgern für Irritationen gesorgt hat. Man nahm wohl an, dass ein Künstler der als „Legende“ bezeichnet wird, um diese Bezeichnung zu verdienen, schon tot sein muss. Und es sich deshalb wohl um eine Cover-Band handelt. Dies wäre eine äußerst großzügige Erklärung, warum die Rockhal beim Auftritt eines der größten lebenden Jazzmusikern dieses Jahrhunderts nicht einmal mit ausverkauftem Haus glänzen konnte.

Umso tragischer, da es sich bei Hancock, der in den 60ern Mitglied des zweiten Miles Davis Quintett war und den Jazz um unsterbliche Klassiker wie „Watermelon Man“ oder „Cantaloupe Island“ bereicherte, um einen Musiker handelt, der trotz seines Legende-Status, sichtlich fürs Publikum spielt, mit Geduld und ohne jede Arroganz. Herbie Hancock ist ein Verfechter der Musik als verbindendes Element unter den Menschen. Sie ist Ausdruck jenes Impulses, den alle Menschen gleich in sich tragen, alle Kulturen, alle Völker.

In einer globalisierten Welt, so Hancock, dient die Musik zum gegenseitigen Verständnis. Außerhalb jeder Dogmen feiert sie die Leichtigkeit, die Schönheit des Seins, unseres Lebens, das wir alle gemeinsam auf dieser Erde verbringen. Und diesen Geist des gegenseitigen Respekts, der Freude ließ er dann auch auf authentische Weise aufs Publikum überströmen.

Weltumarmung

Von einer grandiosen Band begleitet brachte er dem Publikum seine Idee des Jazz auf überzeugende Weise näher. Mag er auch kritisiert werden, sich in seinen letzten Veröffentlichungen vom Jazz fort, hin zu einer weltumarmenden Popmusik eines Bono bewegt zu haben, so muss man beifügen, dass genau das auch Hancocks Ziel zu sein scheint.

Dem praktizierenden Buddhisten geht es mittlerweile, so idealistisch und naiv das klingen mag, eher um globales Verständnis als um eine theoretische Weiterführungen des Jazz im Elfenbeinturm. Eine gesunde Entwicklung eines großen Künstlers, möchte man meinen, der beide Aspekte in seiner Karriere erfüllen konnte.

Seine neueste Platte „The Imagine Project“, die er an diesem Sonntag hauptsächlich vorstellte, ist in diesem Sinne auch aus einer breiten Palette von Musikern zusammengesetzt, darunter fürs jazz-unerfahrenere Publikum ein Cover von John Lennons Imagine gemeinsam mit Pink, aber auch höchst interessante Mischungen mit der tuaregschen Gruppe Tinariwen oder der klassisch irischen Band The Chieftains.

Mithilfe dieser Künstler, aus komplett verschiedenen Weltgegenden und kulturellen Umfeldern zusammengewürfelt, versucht Hancock also die Jazzmusik zu einer Weltmusik zu erhöhen.

Geniale Fertigkeit

Dass dies aber nicht zu einem musikalischen Mischmasch verkommt, dafür sorgt ganz einfach Hancocks geniale Fertigkeit, die Jazzmusik als sein meisterliches Fach über allem erleuchten zu lassen. Denn obwohl das Konzert von einem Bob-Dylan-Cover bis hin zu John Lennons Imagine schwappt, ziehen sich durch den ganzen Abend Momente genialen Könnens, welche die Musik auf absolut hohem Niveau schweben lassen.

Da war schon alleine die Interpretation seines „Cantaloupe Island“ das Eintrittsgeld wert, eine berauschende musikalische Erfahrung, die auch deswegen so erfrischend rüberkommt, da Herbie Hancock, trotz seiner musikalischen Größe einfach nicht zu dieser allzu bekannten, beklemmenden künstlerischen Arroganz tendiert.

Als er auf die Scheuheit der überragenden Sängerin Kristine Train, welche die Band gesanglich begleitet, aufmerksam macht, da sie immer sofort von der Bühne läuft, meint er nachdenklich: „But there’s no running of the stage here. … You gotta bow to the audience. And thank them.“

Ein großer Dank zurück.