Alain spannt den Bogen Zeitlos richtig: Krystian Zimermans Beethoven-Klavierkonzerte sind ein absoluter Hörgenuss

Alain spannt den Bogen  / Zeitlos richtig: Krystian Zimermans Beethoven-Klavierkonzerte sind ein absoluter Hörgenuss
OPL-Dirigent Gustavo Gimeno Foto: Alfonso Salgueiro

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Auch in seinem zweiten Konzert mit den Klavierkonzerten von Ludwig van Beethoven machte Krystian Zimerman einem legendären Namen alle Ehre. Unaffektiertes Spiel, fließende Melodik und absolute Transparenz machten das 3. Klavierkonzert zu einem absoluten Hörgenuss.

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Abseits aller Modeerscheinungen, also weder historisch informiert noch klassisch oder gar modern, entpuppt sich Zimermans Beethoven als zeitlos richtig. Man hört zu und hat das Gefühl, so und eigentlich nur so soll es sein. Neben dieser mustergültigen Interpretation ist natürlich Zimermans Technik atemberaubend, denn sie ermöglicht es dem Hörer, jede einzelne Note schwingen zu hören. Es erübrigt sich, zu sagen, dass im Gegensatz zu Zimermans Weigerung, während der Konzerte fotografiert zu werden oder ein Interview zu geben, sein musikalischer Vortrag völlig ohne Starallüren ist und in jedem Moment im Dienste des Werkes steht.

Gimeno dirigierte einen recht spannenden, im dritten Satz regelrecht furiosen Beethoven, der durch innere Ausgeglichenheit und wohldosierte Innenspannung interpretatorisch in jedem Moment auf der Höhe war. Das Orchesterspiel allerdings schwächelte anfangs, doch abgesehen von einigen Unsauberkeiten der Geigen im ersten Satz, die Schwierigkeiten hatten, einen gemeinsamen Atem zu finden, entwickelte sich das Spiel des Orchestre Philharmonique du Luxembourg ab dem zweiten Satz dann doch noch zu einer insgesamt guten Orchesterleistung. Obwohl man die Musiker als Kollektiv schon insgesamt in besserer Form gehört hatte.

Dieses fehlende Unisono der Geigen fiel bereits im ersten Konzertteil bei Arnold Schönbergs „Verklärter Nacht“ in der Fassung für Streichorchester unangenehm auf. Im vorderen Block stört es enorm, dass man die Streicher quasi nie als Ensemble, sondern als Einzelinstrumentalisten wahrnimmt. Während die tiefen Streicher (herrlich die Celli) sehr flexibel und klangschön auf Gustavo Gimenos beschwörende Gesten reagierten, blieben die wegen der Corona-Vorkehrungen weit auseinander sitzenden Violinen diesmal etwas hinter der zu erwartenden Leistung zurück und fielen klanglich immer wieder auseinander. Trotzdem war es eine sehr packende Aufführung, die Gimeno mit dem OPL vorbereitet hatte und die durch ihre Rhetorik wie auch durch die immer schwingende Dramatik interpretatorisch nichts zu wünschen übrig ließ.

Dirigent Gergiev kennt seine Musiker ganz genau
Dirigent Gergiev kennt seine Musiker ganz genau  Foto: Alfonso Salgueiro

Mit der Präzision einer Schweizer Uhr

Die Musik für Streicher erfreut sich momentan und notgedrungen einer großen Beliebtheit. Im Gegensatz zu ihren Kollegen vom OPL waren sich die Streicher des Mariinsky Orchestra am folgenden Abend ganz nah. Die in der Philharmonie vorgesehene Oper Chowanschtschina von Modest Mussorgsky hatte man Corona-bedingt abgesetzt (allerdings spielte das Ensemble dieses Werk am Folgetag wie geplant in Paris) und durch drei Werke für Streichorchester ersetzt.

Auf den ersten Blick waren Strawinskys Concerto en ré, Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester sowie Tschaikowskys Streicherserenade ein schwacher Ersatz für die sicherlich tolle Aufführung der viereinhalb Stunden dauernden Chowanschtschina. Aber obwohl Gergiev (wie anscheinend fast immer) zu spät zu Proben erschienen war und das Konzert mit Verspätung begann, so war die musikalische Leistung an diesem Abend doch exemplarisch. Gergiev kennt natürlich seine Musiker ganz genau und sie ihn. Somit war es eine sehr konzentrierte und trotzdem mit leichter Hand gespielte Aufführung, die das Publikum von Prokofiews etwas reaktionärem Concerto en ré geboten bekam. Gergiev hielt die Zügel straff in der Hand, sodass die Interpretation zügig und dynamisch wirkte.

Auch Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester gewann unter Gergievs Leitung an innerer Spannung, die sich ebenfalls auf die beiden Solisten positiv auswirkte. Die junge Trompeterin Selina Ott spielte ihren Part mit einer fantastischen Technik und einer beachtenswerten Präsenz. Denn diese musste sie haben, war ihr Partner am (von Schostakowitsch bevorzugten) Klavier doch Vadym Kholodenko.

Sein ungeheuer wuchtiger Anschlag, seine atemberaubende Virtuosität und sein Talent, problemlos von kraftvollen Anschlägen zu feinsten Nuancen zu wechseln, lassen uns hoffen, dass hier ein Pianist vom künstlerischen Niveau eines Sokolov heranwächst. Für mich ist Kholodenko ohne Zweifel einer der besten und musikantischsten Pianisten der Gegenwart und somit Garant für immer künstlerisch hochwertige und spannende Interpretationen.

Es folgte Tschaikowskys wundervolle Streicherserenade, bei der Gergiev und seine Streichertruppe zu Höchstform aufliefen. Sicher, die Musik spulte sich wie automatisch und mit der Präzision einer Schweizer Uhr ab, aber dennoch wussten die Musiker des Mariinsky Orchestra durch Präzision, Virtuosität und Klangschönheit zu begeistern. Begeisterung dann auch beim Publikum, das z.T. mit Standing Ovations Valery Gergiev und sein Orchester feierte. Diese bedankten sich dann mit dem ebenfalls wunderschön gespielten langsamen Air aus der Holberg-Suite von Edvard Grieg.