Siegfried (René Klötzer) lebt in zwei Welten: Siegfrieds Traumwelt ist weiß und harmonisch. Hier trifft er Odette (Susanne Wessel) und verliebt sich in sie. Sie wird ihn retten. Hier sind die Schwäne noch und wieder Schwäne, graziös und ein trautes Kollektiv. Siegfrieds andere Welt ist schwarz. In der schwarzen Realität befindet sich die schwarzweiße Mutter, die ihren Sohn malträtiert und den Vater sowieso. Beide Männer ihrer Familie dienen ihr als Instrumente ihrer Grandiosität: Indem sie die beiden unterwirft, erhöht sie sich. Siegfrieds Mutter sexualisiert das Verhältnis zum Sohn, der sich immer wieder entwindet. Sie demütigt vor allem ihren Mann mit jeder kleinen Geste bis hin zum Herunterziehen seiner Hose vor allen Anwesenden, sie schmeißt ihn umher und hebt ihn wieder auf.
So, zeigt sie ihrem Sohn, wird es auch ihm ergehen. Siegfried erträgt den Anblick des Vaters kaum, doch ihm bleibt keine Wahl. Rotbart schließlich, von David Scherzer beängstigend teuflisch dargestellt, treibt die Unterwerfungen noch auf die Spitze, selbst die Mutter kann diesen nicht entkommen.
o Wann? Wo? Weitere Vorstellungen am 11.3., 13.3., 28.3., 31.3., 5.4. und 9.4. um 20 Uhr im Theater Trier, Am Augustinerhof D-54390 o Kontakt o Internet |
Träume zerstören
Mit kleinen Bewegungen des Kopfes, seiner Hände oder Beine dirigiert er die übrigen Tänzer zu einem grotesken Puppentheater in schwarzer Abendgarderobe. Er vermag sogar, in Siegfrieds Traumwelt einzudringen und zunächst dessen Traum zu zerstören, indem er Siegfried dazu verleitet, versehentlich Odette zu töten. Große Klasse ist besonders in der ersten Hälfte des Balletts die Psychodynamik zwischen Siegfried, seiner Mutter, seinem Vater und Rotbart, die von allen Beteiligten herausragend dargestellt wird. Vor allem die Demütigung des Vaters durch die Mutter sowie ein Duett von Vater und Sohn, in dem sich beide gegenseitig wie kaputte Puppen aneinander hochziehen und versuchen, einander aufzurichten, sind schmerzhaft und traurig anzuschauen. In der zweiten Hälfte sind die harmonischen Sequenzen insgesamt ein wenig langatmig geraten, auch die Flut der vielen Mütter zieht sich etwas hin. Hervorzuheben sind die darstellerischen Leistungen von Noala de Aquino als Vater sowie von Juliane Hlawati als Mutter, wiewohl sämtliche Hauptrollen überdurchschnittlich personifiziert sind.
Der glatzköpfige Puppenmeister Rotbart wirkt stets elegant und bedrohlich, seine Grausamkeit willkürlich. Er nimmt sich jede Frau und zerstört jeden Mann. Er lenkt alle anderen Protagonisten und vernichtet jede Gemeinsamkeit zwischen ihnen, macht alle anderen zu einsamen Verlierern. Allein Odette vermag es einmal, ihn umzulenken. Dafür jedoch stirbt sie.
Siegfrieds Verzweiflung ist immer wieder spürbar. Er versucht zum Beispiel immer wieder, seine Knie in die Gerade zu zwingen, damit er aufrecht stehen kann, und scheitert. Das Schicksal seines Vaters ist für ihn unerträglich, vor allem, da er bereits in dessen Fußstapfen zu treten scheint. Odette gelingt es allerdings, ihn aufzurichten und ihn sich selbst werden zu lassen. So ersteht am glücklichen Ende Odette fantastischerweise wieder auf und Hand in Hand geht sie mit Siegfried dem Eismeer entgegen – aus den spitzen Dreiecken wird ein Eiskristall.
Das Publikum im voll besetzten Trierer Theater quittierte das Tanztheater unter der superben musikalischen Leitung von Valtteri Rauhalammi mit anhaltendem Applaus.
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