/ „Wovon träumen wir?“

Emile Hengen
Dann nämlich feiert sein erstes in Luxemburg inszeniertes Stück in der Escher Kulturfabrik Premiere, und es wird sich zeigen, ob Rafael Kohn, der in der luxemburgischen Theaterszene bis zum heutigen Tag kaum wahrzunehmen war, mit seinem Berliner Zeitgeist Anklang beim hiesigen Publikum findet.
In Berlin hat er studiert, szenisches Schreiben und „so ziemlich alles, was mit Theater in Verbindung steht“, verdeutlicht Rafael Kohn während eines Gesprächs. Er wirkt angespannt und unruhig. Zu Recht, denn die Zeit drängt. Ihm und seinen drei Schauspielern verbleiben nur noch wenige Stunden. Dann muss alles sitzen: der Text, die Dramaturgie, die Zuschauer.
Zeugnisse aus einemLeben auf der Straße
In Berlin hat der junge Autor seine Inspiration gesucht und letzten Endes auch gefunden. „Nein, ’Flaschenbrand’ handelt nicht von Revolution. Zumindest nicht direkt“, erklärt der Autor und verspricht, sich davor zu hüten, am Tag der Uraufführung mit Molotowcocktails um sich zu werfen. Da atmet sicherlich nicht nur Serge Basso de March auf, der den ambitionierten Schriftsteller für die Produktion von „Flaschenbrand“ zu sich in die „Galerie Terres Rouges“ eingeladen hat. „Flaschenbrand“, ein Stück, an dem Rafael Kohn zwei Jahre lang feilte und das er während der Proben mehrmals umschrieb, um dann zu reifen, erzählt die Geschichte von leeren Flaschen und all den Menschen, die sie tagtäglich aus öffentlichen Mülleimern fischen, um sie anschließend gegen Bares zu verpfänden. „An vielen Orten sind wahre Banden entstanden, die ihr Revier gnadenlos verteidigen. Benutze ich das Wort ’Bandenkrieg’, dann untertreibe ich nicht“, analysiert der junge Autor.
„Ja, und dann gibt es da noch ein anderes trauriges Kapitel in dieser Geschichte: Die Schließung des Flughafens Tempelhof. Für viele war er das ’Pfandparadies’ schlechthin und für den Überlebenskampf auf der Straße unabdingbar“, führt Rafael Kohn an. Diesen grauenvollen, erbarmungslosen Überlebenskampf in der westlichen Welt, in der einzig und allein das Kapital Politik und Gesellschaft bestimmt, hat Rafael Kohn mit seinen drei sorgfältig ausgewählten Schauspielern – Pascale Noé, Selam Tadese und Pitt Simon – auf die Bühne gebracht und schildert die Leidensgeschichte eines Paars, das unentwegt arbeitet, um sich von den Fesseln, die beiden von ihren Arbeitgeber angelegt wurden, zu befreien.
Sie mögen dem trostlosen Alltag entfliehen, die Machtverhältnisse umdrehen, indem sie so viel Geld wie möglich schaufeln, um ihre Unabhängigkeit zu sichern. „Wovon träumen wir? Von Geld? Von Macht? Wer beides hat, ist frei“, äußert sich Rafael Kohn und wirkt nachdenklich. „Ist er das?“ Auf diese Kernfrage mag Rafael Kohn eine Antwort geben und schickt aus diesem Grund einen dritten Protagonisten in den Ring, der dem System, in dem wir leben, entsagt hat und jede Art der Unterdrückung und Ausbeutung ablehnt. Er führt ein „alternatives“ Leben – ein Leben auf der Straße. Überleben kann er nur durch die Wegwerfgesellschaft, in der wir heute alle leben.
In seinem Stück „Flaschenbrand“ beabsichtigt Rafael Kohn, zwei grundsätzlich verschiedene Lebensphilosophien gegeneinander zu stellen – zwei Parallelwelten, die doch eins gemein haben: der Wunsch nach Freiheit, Sicherheit und Selbstverwirklichung.
„Flaschenbrand“ von
Rafael Kohn
Kulturfabrik
Heute Abend um 20 Uhr
Weitere Vorstellungen
am 27. und 28. Märzum 20 Uhr
116, rue de Luxembourg
L-4221 Esch/Alzette
Tel.: (+352) 55 44 93-1
www.kulturfabrik.lu
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