Alain spannt den Bogen„Wir arbeiten am fahrenden Schiff auf hoher See“ – Ein neues Amateur-Symphonieorchester für Luxemburg

Alain spannt den Bogen / „Wir arbeiten am fahrenden Schiff auf hoher See“ – Ein neues Amateur-Symphonieorchester für Luxemburg
„Musik ist eine Sache des Teilens, unabhängig von Alter und Niveau der Interpreten“, steht auf der Internetseite der Philharmonie, wo das neue Orchester-Projekt vorgestellt wird Foto: Philharmonie

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Tageblatt: Ein neues Amateur-Symphonieorchester für Luxemburg. Wie ist es zu diesem Projekt gekommen und welche Idee steckt dahinter?

Marie Caillet: Die Idee ist eigentlich durch interne Gespräche des Philharmonie-Teams hinsichtlich des Jubiläumsjahres 2025 entstanden, wo die Philharmonie ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert. Wir haben die Corona-Krise dazu genutzt, uns neue Projekte auszudenken. Zwei davon wurden jetzt ausgewählt, nämlich die Orchesterakademie des OPL, die ja schon läuft und erste Früchte trägt. Ein Akademist hat für einen Posten im OPL vorgespielt und wurde tatsächlich sofort engagiert. Und zum anderen das Projekt des „Orchestre de la place d’Europe“, kurz OPE genannt. Administrativ und finanziell wird das Projekt von der Philharmonie getragen. Wir sind dabei auch eine Zusammenarbeit mit der Militärmusik eingegangen; unser Orchester kann ihren Saal im Konservatorium für seine Proben nutzen, während wir ihr den großen Saal der Philharmonie zur Verfügung stellen.

Benjamin Schäfer: Die Philharmonie bietet ja von den Kinderkonzerten über Klassik, Jazz und World bis hin zur End-of-Season-Party ein sehr weit gefächertes Programm in allen Richtungen an. Eine Nische hat bis jetzt noch gefehlt, nämlich wo die Amateurmusiker zusammenkommen und quasi unter professionellen Gegebenheiten ein Konzert einstudieren und spielen können. Das OPE richtet sich demnach an die Amateurmusiker der Großregion und wir hoffen, ein tolles grenzüberschreitendes Projekt damit realisieren zu können. Wir haben also jetzt das sogenannte Stage-Programm zum Schnuppern in Zusammenarbeit mit dem Konservatorium, die Orchesterakademie des OPL und nun auch einen Bereich für die Amateure.

Mit dem Luxembourg Philharmonia gibt es ja schon ein Amateurorchester in Luxemburg. Wird das nicht zu viel?

M.C.: Ich denke nicht. Martin Elmquist und seine Musiker arbeiten projektbezogen, wir dagegen arbeiten über einen längeren Zeitraum auf ein einziges Konzert in der Spielzeit hin. Wir haben regelmäßige Proben, jeweils einmal pro Woche zwei Stunden am Montag. Und wir wollten natürlich auch den Künstlerischen Leiter aus den eigenen Reihen besetzen und da ist unsere Wahl schnell auf Benjamin Schäfer gefallen, der Perkussionist im OPL ist und zugleich eine Dirigentenausbildung gemacht hat.

B.S.: Ja, ich habe mich natürlich riesig gefreut, als Marie und Stephan Gehmacher mit diesem Projekt auf mich zugekommen sind, und habe auch keinen Moment gezögert, um die Aufgabe anzunehmen. Das ist eine unheimlich spannende Sache und was ist schöner, als Musik mit Menschen zu machen, die sich dafür begeistern und sich freiwillig dafür engagieren. Es ist natürlich eine Herausforderung und ich weiß auch noch nicht, was auf mich zukommt. Da kommen Menschen unterschiedlichen Alters zusammen, wobei ich sagen muss, dass das Mindestalter 18 Jahre ist, die alle ein sehr unterschiedliches Niveau haben werden und zudem aus ganz verschiedenen Berufen herkommen. Jeder kann also mitspielen, der Musik nicht hauptberuflich ausübt. Die Bewerbungen können jetzt schon eingereicht werden. Eine Videoaufnahme genügt, damit wir sehen, welches Niveau der Musiker hat und wo er eingesetzt werden kann. Ein offizielles Vorspielen gibt es nicht.

In anderen Worten, die Solopulte werden von den „besseren“ Amateuren besetzt, die anderen spielen in den Tutti.

B.S.: Ja, so wollen wir anfangen. Und dann schauen wir, wie und wo wir die unterschiedlichen Musiker einsetzen. Es gibt jetzt keine feste Ordnung. Erste Geigen werden auch mal zweite Geigen spielen und umgekehrt. Es ist wichtig, dass im Laufe der Zeit und der Zusammenarbeit jeder den Platz findet, auf dem er sich wohlfühlt und der seinem Niveau entspricht. Wir streben ein klassisches Symphonieorchester mit 80-100 Musikern an. Wir werden dann ein bisschen größer besetzen und verschiedene Stimmen doppelt besetzen, denn wir wissen auch, dass nicht immer jeder aus beruflichen oder persönlichen Gründen bei den Proben dabei sein kann. Natürlich hängt es davon ab, wie viele Amateurmusiker sich jetzt bewerben. Falls wir nicht auf die Zahl von 80 kommen, ist das auch nicht schlimm, dann werden wir das Repertoire für unser Konzert eben den Gegebenheiten anpassen.

M.C.: Sowieso, im Moment sind wir uns alle bewusst, dass wir erst in einer Aufbauphase sind und dass wir nicht wissen, wohin dieses ganze Projekt uns führt. Die Ideen und die Motivation, etwas ganz Tolles zu machen, sind da …

B.S.: … aber alles wird sich erst im Laufe der Zeit entwickeln. Unsere Arbeit und die Resultate werden den Weg und das Ziel vorgeben. Wir arbeiten also am fahrenden Schiff auf hoher See.

Wird es eine Zusammenarbeit mit anderen Häusern und Ensembles geben?

B.S.: Also, wir wollen kein Konkurrenzdenken aufkommen lassen. Im Gegenteil. Wir würden uns über eine Zusammenarbeit, einen regen Austausch und sogar gemeinsame Projekte mit anderen Amateurorchestern freuen. Warum nicht Musiker an andere Ensembles ausleihen oder Musiker aus anderen Orchestern für verschiedene Projekte hinzu verpflichten. Alles ist möglich.

M.C.: Wir wollen natürlich auch irgendwann an den internationalen Festivals für Amateurorchester teilnehmen. Die Basis soll das Konzert in der Philharmonie sein, was darüber hinausgeht, ist Bonus. Und hängt natürlich von den Möglichkeiten und der Motivation unserer Orchestermusiker ab.

Was schwebt Ihnen denn als Programm für das erste Konzert vor?

B.S.: (lacht) Da will ich mich noch nicht ganz festlegen, aber ich würde schon gerne die 9. Symphonie von Dvorak im Hauptteil machen. Die kennt und liebt eigentlich jeder. In der ersten Hälfte wird es dann noch eine Ouvertüre und ein Solokonzert geben, bei dem der Solist oder die Solistin aus den Reihen des OPL kommt.

M.C.: Das alles hat sich jetzt sehr schnell entwickelt. Das Programm 21/22 der Philharmonie steht und wir wollen das Konzert des OPE in die Serie „Fräireim“ integrieren, was im Juni/Juli stattfindet und eben den Amateurmusikern aller Richtungen der Großregion gewidmet ist. Inwieweit wir unsere hochgesteckten Ziele wirklich umsetzen können, hängt von vielen Faktoren ab. Wir streben ein Konzert mit Ouvertüre, Solokonzert und Symphonie an, ob wir es allerdings innerhalb der verbleibenden sechs Monate auf die Bühne bringen, können wir jetzt noch nicht hundertprozentig sagen. Und es soll ein Konzert für die Familie und für die Freunde und Bekannte unserer Musiker werden.

Ein anspruchsvolles Programm also. Und dazu nicht allzu viel Zeit. Werden dann einmal pro Woche zwei Stunden Probe reichen?

B.S.: Ich hoffe. Wir werden allerdings sicherlich auch zusätzliche Proben an Wochenenden einfügen, sowie Satzproben, bei denen unsere Musiker von den jeweiligen Profis aus dem OPL gecoacht und vorbereitet werden. Also eine Art von Masterclass, aber immer auf freiwilliger Basis. Das OPE soll einfach Freude machen, und es soll in jedem Moment eine spannende Sache bleiben.

Sie selbst haben Dirigieren bei dem legendären Jorma Panula in Finnland studiert. Was hat er Ihnen mitgegeben?

Jorma Panula ist inzwischen einundneunzig Jahr alt, aber er gibt noch immer Masterclasses. Was er mich am meisten gelehrt hat: „Don’t disturb, help.“ Also nicht sich selbst in den Vordergrund stellen, sondern dem Orchester helfen, das auszudrücken, was in der Partitur steht. Hier steht alles geschrieben. Ich bin eher ein extrovertierter Dirigent, aber Panula bringt mich dann immer wieder zu mir selbst und auf den Boden der Tatsachen zurück. Und das tut so gut (lacht).

Informationen und Bewerbungen (bis 30.11.21) für das „Orchestre de la place d’Europe“ www.philharmonie.lu

„Unsere Arbeit und die Resultate werden den Weg und das Ziel vorgeben“, sagt Benjamin Schäfer
„Unsere Arbeit und die Resultate werden den Weg und das Ziel vorgeben“, sagt Benjamin Schäfer Foto: Philharmonie