Wieder Kathedrale für Rembrandt

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Nach zehn Jahren Umbau wird das Amsterdamer Reichsmuseum wiedereröffnet. Die nationale Schatzkammer strahlt in modernem Glanz. Zugleich wird der Museumsplatz wieder ein Magnet für Touristen aus aller Welt.

Gut 50 000 Menschen haben schon eine Karte gekauft, als ginge es um ein Konzert von Popstar Madonna. Bis Samstag müssen sie noch warten, dann wird die nationale Schatzkammer der Niederlande, das Amsterdamer Reichsmuseum, wiedereröffnet. Die ersten Reaktionen sind begeistert: Das „Rijks“, wie Amsterdamer liebevoll sagen, könne sich wieder mit den wichtigsten Museen der Welt wie dem Louvre in Paris, dem Prado in Madrid oder dem Metropolitan Museum in New York messen.

Rembrandts Werke fanden ein neues Zuhause. (dpa)

Zehn Jahre lang war das wichtigste Museum des Landes eine Baustelle. Es gab eine Kette von Rückschlägen und negativen Schlagzeilen. Der Umbau dauerte sechs Jahre länger als erwartet und kostete mit rund 375 Millionen Euro ein Drittel mehr als geplant.

Königin eröffnet Kunsttempel

Das alles ist vergessen, wenn Königin Beatrix am Samstag (13. April) den Kunsttempel eröffnet. Ein meterlanger orangener Teppich wird auf dem Museumsplatz ausgerollt. Der „Museumplein“ wird an diesem Tag wieder das kulturelle Zentrum der Niederlande und Magnet für Touristen aus aller Welt.

Das Stedelijk Museum für moderne Kunst wurde nach jahrelanger Bauzeit bereits im September eröffnet. Und der Nachbar, das Van Gogh Museum, folgt am 2. Mai. Ein quälendes Jahrzehnt voll Baustellen und ohne tonangebende Museen geht zu Ende.

Tor zur Stadt

Königin des Platzes gegenüber dem weißen verspielten Concertgebouw ist das Reichsmuseum. Architekt Pierre Cuypers hatte es 1885 als Tor zur Stadt fertiggestellt. Durch die zwei Türme hindurch radelten die Amsterdamer vom 400 Jahre alten Grachtengürtel zu den neueren Stadtvierteln aus dem 20. Jahrhundert. Aber Cuypers errichtete vor allem eine Kathedrale für Rembrandt.

Genau das war schon immer das Problem. Das Meisterwerk des katholischen Architekten Cuypers war den calvinistischen Holländern ein Gräuel. Im 20. Jahrhundert wurde es zahllose Male dem sachlichen Geschmack der Zeit und den Bedürfnissen angepasst. Wandmalereien wurden weiß überpinselt, der italienische Terrazzoflur musste Linoleum weichen, und die Innenhöfe wurden mit kleinen Kabinetten vollgebaut. Aus dem Reichsmuseum wurde ein düsteres Labyrinth.

Ein modernes Gebäude

„Wir haben das Gebäude gesäubert“, sagt der Architekt Antonio Ortiz mit leichter Untertreibung. Denn das spanische Architekten-Duo Cruz y Ortiz stellte nicht nur das Cuypers-Gebäude in voller Schönheit wieder her. Mit modernen Anbauten, einem neuen asiatischen Pavillon, einer großzügigen Eingangshalle und neuesten technischen Installationen baute es ein Museum der modernsten Art.

Die Innenhöfe wurden wieder freigelegt und miteinander verbunden. Unter großen Glasdächern entstand eine elegante lichtdurchflutete Eingangshalle für die erwarteten bis zu zwei Millionen Besucher im Jahr.

Doch im ersten Stock begegnet man der alten Pracht Cuypers‘: zarte Blumenranken und Ornamente an den Säulen, bleiverglaste hohe Fenster, ein neuer Terrazzoboden, Wandmalereien zu Szenen der niederländischen Geschichte. Darüber wölbt sich zierlich die reich verzierte Decke wie in einer gotischen Kathedrale.

Vorhalle zum Heiligtum

Es ist die Vorhalle zum eigentlichen Heiligtum, der Ehrengalerie. In der majestätischen Halle mit den hohen Spitzbögen stockt jedem der Atem. Links und rechts strahlen an dunkelgrauen Wänden die weltberühmten Werke der holländischen Meister des 17. Jahrhunderts: Vermeer, Frans Hals, Jan Steen. Und am Ende der Galerie hängt das Werk, für das Cuypers das Museum errichtete: «Die Nachtwache» von Rembrandt.

Es ist das einzige Bild, das an seinen ursprünglichen Platz zurückkehrte. Das Reichsmuseum zeigt in 80 Sälen 8000 Objekte seiner Sammlung, die rund eine Million Stücke umfasst. Sie erzählen rund 800 Jahre Geschichte der Niederlande.

Neu ist auch die Darstellung der Kunst. Gemälde werden oft mit historischen Objekten in fast unsichtbaren großen Vitrinen verbunden. So sind vor einem Gemälde über die ruhmreiche Walfischjagd der Niederlande auch kleine Wollmützen der Arbeiter in Spitzbergen zu sehen. Das Reichsmuseum will beides sein, sagt sein Direktor Wim Pijbes: „Besucher sollen das Gefühl von Schönheit umarmen und das Bewusstsein der Zeit erleben.“