Weniger, aber gehaltvoller

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Interview: Heike Bucher

Interview: Heike Bucher

Tageblatt: Frau Kremer, wie geht es dem Merscher Kulturhaus?
Karin Kremer: „Die Wirtschaftskrise haben wir gehabt, aber die soziale Krise kommt noch auf uns zu, das merken wir sehr stark. Es kommen weniger Leute und es kommen Eltern oder Großeltern, die Kinder und Jugendliche vorbeibringen, selber aber nicht in die Veranstaltungen gehen, weil sie sich die Eintrittskarte nicht mehr leisten können.“

„T“: Wie laufen die beiden Abo-Programme „Caku“ und „Trio“, die Sie gemeinsam mit dem CAPe und dem Cube 521 organisiert haben?
K.K.: „Vor allem der Zusammenschluss mit dem CAPe hat gezeigt, dass so etwas möglich ist und gut laufen kann. ’Caku’ läuft unheimlich gut. ’Trio’ ist schwieriger, weil gerade junge Leute eine zu geringe Mobilität haben. Was wir jetzt machen, ist, uns gezielt nur noch Stücke herauszusuchen, die Jugendliche wirklich ansprechen. Dafür haben wir Theatertruppen aus dem Ausland engagiert, die sich mit den Einzelthemen für 14- bis 19-Jährige auseinandersetzen und sich auskennen.“

„T“: Welche Themen sind das?
K.K.: „Es geht um Mobbing und Sexualität oder einfach ums Spaß haben, sich amüsieren können, ohne dass die Erwachsenen immer sagen ’du musst aber‘, ’du sollst aber‘. Ohne Erklärungen. Es geht auch um Drogenkonsum, aber nicht nur um Drogen wie Haschisch oder Alkohol. Es geht auch um solche Suchtproblematiken wie zu viel fernsehen, im Internet surfen oder essen. Dabei versuchen wir immer, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die auch pädagogisch in Diskussion mit den Jugendlichen kommen können. Wir wollen aber auch den Jugendlichen, die sich hier in Luxemburg mit dem Theater auseinandersetzen und Theater spielen, die Möglichkeit geben, von unseren professionellen Strukturen zu profitieren.“

„T“: Wie sieht das konkret aus?
K.K.: „Konkret sind wir dabei, mit dem ’Mach-Mit-Theater‘ aus Diekirch und Ettelbrück zu verhandeln, wie man ihre Produktionen in unser offizielles Programm einbinden kann. Auch der ’Neie Lycée‘ ist sehr interessiert daran und wird das Stück, das sie im CarréRotondes aufführen, auch bei uns spielen.“

„T“: Es geht also nicht darum, eine eigene Theatergruppe für Kinder und Jugendliche zu gründen, sondern ihnen eine Bühne zu geben, auf der sie proben und spielen können?
K.K.: „Genau, aber es soll ein festes Element in diesem Haus werden, damit die Jugendlichen wissen, dass sie hier ein Haus haben, das auch ihnen gehört.“

„T“: Ihr neues Projekt heißt „BlanContact“. Was muss man sich darunter vorstellen?
K.K.: „BlanContact ist eine Koproduktion mit Maskénada, dem Trois C-L, mit der Fondation Kräizbierg, mit InfoHandicap. Es ist Tanz, Theater, Musik und Sprache mit schwerstbehinderten Menschen. Wo ist da das Limit bei jedem einzelnen von uns? Es sind professionelle Künstler dabei, Semiprofessionelle und Amateure. Es ist erstaunlich, zu beobachten, wie diese unterschiedlichen Menschen es fertig bringen, sich aufeinander einzustellen. Da geht es nicht nur um körperliche oder geistige Behinderungen, sondern auch um die Behinderungen im Kopf. Wie kann man es schaffen, mit dem Anderssein, dem wirklichen Anderssein des Anderen umzugehen.“

„T“: Gab es bei diesem Projekt irgendwelche Bedenken?
K.K.: „Sicher. Es war zum Beispiel eine Herausforderung, die Fondation Kräizbierg davon zu überzeugen, dass so ein Projekt mit den Menschen, die dort leben, möglich ist. Und zu zeigen, dass eine Struktur wie der Novabus notwendig ist. Es war auch eine Herausforderung, es meinem Vorstand zu erklären. Ich will aber auch zeigen, dass wir zu etwas Nutze sind und nicht nur für den reinen Konsum oder Sportlerehrungen zuständig sind.“

„T“: Wie entstand diese Idee?
K.K.: „Ich habe sie einfach im Kopf entstehen lassen und dann zuerst mit den Leuten gesprochen, die ich gerne dabei gehabt hätte, das waren am Anfang Serge Tonnar und Yoko Kominami. Auf die Idee haben mich, ohne es zu wissen, Bernard Baumgarten und Claude Mangen gebracht, als sie im letzten Jahr ’Mischa, der Fall’ gemacht haben. Das war ja ein sehr heikles Thema. Und dann dachte ich: ’Ich will nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen.’ Als wir das Projekt geschafft hatten, musste es weitergehen. Und da kam mir die Idee einer Trilogie.“

„T“: Was wird die dritte Produktion sein?
K.K.: „Sie heißt ’Caravan of Life’. Das ist eine Produktion mit Camille Kergen, Anu Sistonen, André Mergenthaler, Sven Kieffer und arbeitslosen Menschen. Letzte Woche haben wir vom Arbeitsministerium und vom ’Fonds social‘ die Genehmigung erhalten, zehn Arbeitslose für vier Monate halbtags als Tänzer einzustellen.“

„T“: Müssen das professionelle Tänzer sein?
K.K.: „Nein, keine Profitänzer, einfach Arbeitslose. Im September werden wir die ersten Castings machen. Das Bühnenbild und die Kostüme wird Do Demuth machen, genau wie für ’Mischa, der Fall’ und ’BlanContact’. Vielleicht wird dadurch auch eine zusätzliche Verbindung zwischen den dreien geschaffen.“

„T“: Haben Sie das Gefühl, dass es in Luxemburg ein Überangebot an kulturellen Veranstaltungen gibt?
K.K.: „Ja, natürlich. Deshalb werden wir unser Programm auch zurückfahren. So bieten wir dieses Jahr zwei, maximal drei größere Konzerte an. Etta Scollo wird wieder kommen, eine Künstlerin, die ich sehr schätze, weil sie nicht nur Interpretin ist, sondern auch selbst schreibt. Sie lebt in Deutschland, kommt aber aus Italien und schreibt sehr viel über ihre Heimat. Wir werden weniger anbieten, aber dafür umso gehaltvoller.“

PROGRAMM UNTER
www.kulturhaus.lu

Merscher Kulturhaus 

Gerade in Zeiten der Krisen brauchen wir die Kultur, meint Karin Kremer, künstlerische Leiterin des Merscher Kulturhauses. Weil sie aber keine Einzelkämpferin sein möchte, setzt sie auf Zusammenarbeit: Bereits in der zweiten Saison bietet das Merscher Kulturhaus gemeinsam mit dem „Centre des arts pluriels“ (CAPe) in Ettelbrück das Kinderabonnement „Caku“ an. Im vergangenen Sommer gesellte sich das neue Jugendabo „Trio“ dazu, an dem auch das Cube 521 in Marnach beteiligt ist. Auch mit Eigen- und Koproduktionen macht das Merscher Kulturhaus regelmäßig auf sich aufmerksam. Wie im letzten Jahr mit dem Tanztheater
„Mischa, der Fall“ oder der Inszenierung des luxemburgischen Volksstücks „Lene Frank“. Am 3. März wird „BlanContact“ uraufgeführt, ein Stück mit Musik, Tanz und Sprache,
in dem neben professionellen Künstlern auch schwerstbehinderte Menschen mitspielen. Wer mit Karin Kremer spricht, hört ein Wort besonders oft: Herausforderung. Es scheint für sie gemacht zu sein, denn sie liebt Herausforderungen jeglicher Art. Zum Programm des Merscher Kulturhauses gehören außerdem Ausstellungen, Theater und
Konzerte. Sechs Mal im Jahr findet ein „Concert apéritif“ statt, immer sonntags um 11 Uhr.