Von schönen Kartoffeln und schlechtemWetter

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LUXEMBURG - Es regnet. Ein alter Mann mit beigem Hut und Mantel steigt dennoch auf sein Fahrrad und fährt los. Zu seinem Schrebergarten. Arbeit gibt es immer.

Nach „Weilerbach“ (2008) und „Mir wëllen net bleiwen“ (2010) hat sich Yann Tonnar nun auch wieder einem soziologisch interessanten Thema zugewandt. In seinem neuen Dokumentarfilm „Schrebergaart“ spürt er einen Mikrokosmos auf, der viel über die Luxemburger Gesellschaft aussagt. Als Drehort hat er sich für die Schrebergärten in Esch entschieden, mit der Kamera begleitet er Mitgliederversammlungen, Gespräche zwischen Garten-Nachbarn oder Ehepaaren, die auf der Terrasse Karotten schälen.

Schrebergaart
Yann Tonnar

• Ab Freitag, 16. September, läuft der Film im Kino Ariston in Esch an

• Am Montag, 19. September, um 21.30 Uhr und am Donnerstag, 22. September, um 16.30 Uhr wird der Film im hauptstädtischen Utopia gezeigt.

Die Kameraführung ist ruhig und unaufgeregt. Yann Tonnar lässt die Menschen reden, keine Zwischenkommentare, keine Erklärungen. Nur etwas Musik von Serge Tonnar, vor allem fröhliches Gepfeife.

Von Anfang an wird der Zuschauer in eine besondere Stimmung eingehüllt. Ein Mann, der seine Kartoffeln akkurat in 20 Zentimeter-Abständen in den Boden pflanzt, verströmt eine Harmonie, die für Büromenschen kaum zu ertragen sein mag. Im Einklang mit der Natur sitzen Großfamilien auf ihren Terrassen und genießen die Idylle. Mit Blick auf das alte Stahlwerk in Belval. Der Himmel ist wolkenbehangen, die Hühner des portugiesischen Nachbarn schnattern. Obwohl Tiere auf dem Gelände verboten sind …

Die Hennen schnattern

Ein Garten sei zwar kein Krankenhaus, meint einer der Schrebergartenbesitzer, doch Ordnung müsse schon sein. Es gibt Regeln, manche halten sich dran, manche weniger. Yann Tonnar ist es auf sehr feinfühlige Art gelungen, Menschen zum Reden zu bringen. Da ist der Portugiese, der mit seinem Schrebergarten versucht, ein Stück Heimat zu schaffen. Portugiesische Samen für portugiesisches Gemüse, dass auch das Gericht wirklich portugiesisch schmeckt. Oder der Franzose, der die deutsche Seite der Luxemburger etwas zu ausgeprägt findet. Und natürlich der Luxemburger, der, ohne zu urteilen, feststellt, dass er immer mehr Ausländer und immer weniger Luxemburger als Garten-Nachbarn hat. Nicht nur Portugiesen, auch Italiener, Franzosen Montenegriner, ein paar Deutsche. Und jeder habe nun mal seinen kulturellen Background, den er mitbringe.

Der Regen prasselt

Um das Zusammenleben möglich zu machen, Probleme zu besprechen und Regeln aufzustellen, gibt es Mitgliederversammlungen. Auf Luxemburgisch. Rund 90 Prozent der Anwesenden haben einen Stöpsel im Ohr. Die ASTI übersetzt, dass auch jeder mit abstimmen kann, wenn der neue Vorstand gewählt wird…

Yann Tonnar hat ein liebenswürdiges Porträt über Schrebergärten und seine Besitzer gedreht und damit nicht nur ein sympathisches Bild der Stadt Esch entstehen lassen, sondern gleichzeitig auch Eigenheiten der Luxemburger Gesellschaft dokumentiert. All das mit viel Poesie.

Sehr sehenswert!