Kopf des Tages / Von der Bühne auf die Anklagebank: R. Kelly muss sich seit Mittwoch wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht verantworten
R. Kelly muss sich seit Mittwoch wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht verantworten
„I Believe I Can Fly“ ist einer der größten Hits von R. Kelly. Doch der Höhenflug des einstigen R&B-Superstars ist zu Ende: Der 54-Jährige steht seit Mittwoch wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger vor einem New Yorker Gericht. Statt auf der Bühne zu stehen, könnte Kelly für viele Jahre im Gefängnis landen.
Mit mehr als 75 Millionen verkauften Tonträgern und drei Grammys ist Kelly einer der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. Immer wieder überschatteten zwar Vergewaltigungsvorwürfe die Karriere des R&B-Musikers, verurteilt wurde er jedoch nie.
In einem Interview mit dem Magazin GQ wies er 2016 die Anschuldigungen als Verleumdung zurück. „Manche Leute versuchen meine Karriere zu zerstören“, sagte er damals. „Ich bin nicht dieser unschuldige Typ mit einem Heiligenschein. Nein, ich liebe Frauen.“ Aber das heiße nicht, dass er mit Minderjährigen schlafe, beteuerte Kelly. Auch bei Gericht wies seine Verteidigung am Mittwoch die Vorwürfe zurück.
Der Musiker wurde 1967 in Chicago geboren, als drittes von vier Kindern einer alleinerziehenden Mutter. Als Achtjähriger sei er von einer älteren Frau vergewaltigt worden, wenige Jahre später habe ihn ein Nachbar missbraucht, schildert er in seinen 2012 erschienenen Memoiren. Manchmal habe er als Junge ältere Paare beim Sex beobachtet und sollte sie dabei fotografieren.
Kelly ging nie zur Highschool, manche behaupten, er sei Analphabet. Er schlug sich als Straßenmusiker durch, bis er vom Label Jive Records entdeckt und 1991 unter Vertrag genommen wurde. 1993 kam sein erstes Soloalbum „12 Play“ heraus mit sexualisierten Songs wie „Bump N’ Grind“ und „I Like the Crotch on You“, das neun Wochen lang die R&B-Charts anführte.
Für Aufsehen sorgte Kellys – später annullierte – Ehe mit der damals erst 15 Jahre alten Sängerin Aaliyah. Aber auch sein anrüchiges und turbulentes Privatleben bremste seinen Aufstieg zum Megastar nicht. Anfang der 2000er Jahre wurden dem Chicagoer Reporter Jim DeRogatis dann zwei Videos zugespielt, die Kelly offenbar beim Sex mit jungen Mädchen zeigten. Daraufhin wurde der Musiker wegen Kinderpornografie angeklagt.
Der Prozess wurde immer wieder verzögert. Kelly ging weiter auf Tournee und nahm Platten auf, bis er schließlich in allen Anklagepunkten freigesprochen wurde. Seinem Erfolg schadete auch dieser Prozess nicht. Zwischen 2005 und 2012 produzierte und inszenierte er immer neue Kapitel seines Musikfilms „Trapped in the Closet“ – einer absurden Geschichte über Sex und Lügen, die Kritiker genauso verwirrte wie beeindruckte.
Vor vier Jahren veröffentlichte das Onlinemedium BuzzFeed schließlich einen ausführlichen Bericht von Reporter DeRogatis. Dessen Recherchen zufolge betrieb Kelly einen Sex-Ring und hielt an verschiedenen Orten zwischen Chicago und Atlanta sechs Frauen gegen ihren Willen gefangen. Zeitgleich gründeten zwei Frauen in Atlanta die Bewegung „Bringt R. Kelly zum Verstummen“, die zum Boykott seiner Musik aufrief.
Der US-Sender Lifetime sendete im Januar 2019 eine Doku-Serie, in der Frauen Kelly als manipulativ, gewalttätig und auf junge Mädchen fixiert darstellten. Die Teenager hätten ihn „Daddy“ nennen müssen. Diesmal konnte Kelly die Vorwürfe nicht unter den Teppich kehren. Mehrere Künstler, unter ihnen Lady Gaga, entschuldigten sich öffentlich dafür, mit Kelly zusammengearbeitet zu haben, sein Label ließ ihn fallen.
Auch die Justiz wurde aktiv: Die Staatsanwaltschaft in Chicago klagte ihn in zehn Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs an, die Bundesstaatsanwälte in Illinois und New York erhoben ebenfalls Klage. Seither sitzt Kelly in Untersuchungshaft, inzwischen steht er Berichten zufolge vor der Pleite.
Über Kellys Schicksal entscheidet nun eine Jury aus zwölf Geschworenen, sieben Männern und fünf Frauen. Die Liste der Anklagepunkte ist lang: Schutzgelderpressung, sexuelle Ausbeutung von Kindern, Entführung, Bestechung und Zwangsarbeit. (AFP)
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