/ Und sie warten immer noch

Rien ne se passe, c’est terrible“, soll das irritierte Publikum unisono nach der Vorstellung gesagt haben. Und dennoch gingen sie bewegt, wie schon lange nicht mehr, nach Hause. Bis heute lässt es niemanden kalt, wenn sich die beiden Landstreicher Vladimir und Estragon in belanglosen, surrealen Dialogen unterhalten. Sie warten. Auf was, wissen sie nicht. Denn darum geht es ja gerade: um die grenzenlose Absurdität ihrer Situation, die Sinnlosigkeit des Daseins – passend zum existenzialistisch-avantgardistischen Zeitgeist der Pariser Intellektuellen Mitte des 20. Jahrhunderts. Es gibt nun mal keine Hoffnung und keinen Sinn. Und da gibt es auch nichts zu verstehen.
Auch der bekannte Regisseur Tabori inszenierte das Stück. (dpa)
Gerade weil er nichts verstand, das Stück ihm aber irgendwie sympathisch war, soll der Regisseur der Uraufführung, Roger Blin, der gleichzeitig auch als Pozzo mitspielte, sich dazu entschieden haben, „Warten auf Godot“ zu inszenieren. Fünf Jahre hatte es gedauert, bis sich jemand für das heute bekannteste und meistaufgeführteste Werk Samuel Becketts interessierte. Dass er mit seiner Inszenierung nicht nur Beckett, der sechs Jahre später den Literaturnobelpreis erhielt, auf einen Schlag berühmt machte, sondern gleichzeitig auch dem Absurden Theater zum Durchbruch verhalf, konnte Blin wohl nicht ahnen. In Amerika galt das Stück als obszön, trotz der autoreneigenen Übersetzung ins Englische.
Viele versuchten sich am Stück
In Deutschland hingegen begann der Österreicher Fritz Kortner wenige Monate nach der einschlagenden Premiere in Paris mit den Regiearbeiten an den Münchner Kammerspielen. Bis heute haben sich nahezu alle namhaften Regisseure an dem Stück versucht, unter ihnen Peter Palitzsch (1972), Samuel Beckett selbst (1975) oder George Tabori (1984).
Die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag wagte sogar eine Inszenierung im Nationaltheater in Sarajevo mitten im Bosnien-Krieg (1993). Doch wer ist Godot? Ein Erlöser? Ein Mann aus dem Volke? Ein Bäcker? Beckett selbst hat darauf nie eine Antwort gegeben. „Hätte ich gewusst, wer Godot ist, hätte ich es im Stück gesagt“, soll er nur trocken geantwortet haben. Die Regisseure suchen weiter. Und Estragon und Vladimir? Sie warten immer noch. Auf den Theaterbühnen der gesamten Welt.
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