Umringt von Superhelden

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Von Eric Meiers und Jeff Schinker 

„Fantasie ist etwas, was sich manche Leute gar nicht vorstellen können.“ (Gabriel Laub)

Umso weniger ist es verwunderlich, dass in Luxemburg nur einige wenige dem literarischen Genre der Fantastik zuzurechnen sind. Obwohl Legenden, Märchen, Mythen und Sagen den allermeisten von uns von Kindesbeinen an die Wege zu einem Universum an Weltanschauungsweisen geebnet haben, wandelt unser Denken mit fortschreitendem Alter müßiggängerisch auf ausgetretenen Pfaden.

„Schade eigentlich!“, skandierten am Dienstagabend im Cité Auditorium des Cercle Cité sechs Angehörige der luxemburgischen Science-Fiction- und Fantasy-Szene. In einer lebhaften und beflügelnden Podiumsdiskussion standen sie der Moderatorin und dem anwesenden Publikum Rede und Antwort. Ausgewählte Textstellen aus Neuerscheinungen und früheren Werken, von teils starken und teils schwachen Performances flankiert, wurden zum Besten gegeben.

Sammler und Hüter

Eine einführende Präsentation stimmte die Zuhörerschaft auf den Abend ein. „Ein Märchen aus alten Zeiten“, dichtete Heinrich Heine bereits 1823 über den Loreley-Mythos. Dieses für gewöhnlich unglaubwürdigen Worten entgegengeschleuderte Zitat wie auch unzählige andere gehen der Mehrheit leicht von der Zunge. Dabei sind sich die wenigsten darüber im Klaren, woher die Aussprüche überhaupt stammen, deren wir uns tagtäglich bedienen, und wem wir jene literarischen Kleinode, von den Schöpfern mal ganz abgesehen, zu verdanken haben.

Es sind auch die Bibliothekare, Archivare und Dokumentalisten, die es uns kraft ihres unermüdlichen Einsatzes als Sammler und Hüter der Bücher ermöglichen, unseren Wortschatz immer wieder aufs Neueste zu erweitern und auszuschmücken.
Bedauerlicherweise geraten diese Arbeitsfelder zunehmend in den Hintergrund – ein Umstand, welcher der expandierenden Digitalisierung geschuldet ist. Doch vom Bibliothekswesen zehren auch unsere Fantasy- und Science-Fiction-Autoren, und nicht nur die, sondern überwiegend alle, weswegen den erwähnten Berufsständen besonders in ihren Werken stets bedeutsame Rollen und Funktionen zukommen.

Zeitlose Stoffe

Stoffe, aus denen alle der Fantastik zugehörigen Werke sind, haben die Menschen über Jahrhunderte hinweg fasziniert und auch heutzutage haben sie kein bisschen von ihrem Zauber und ihrer Magie verloren. Es sind zeitlose Stoffe, die uns, wir, die sie gesponnen, gleichzeitig auch geprägt haben und uns ständig umwehen. Es sind dies Stoffe, die sich fortwährend neu spinnen und uns in allen Lebenslagen und Belangen unsere Möglichkeiten vor Augen führen, uns aber vor allem auch den Spiegel vorhalten.

Demnach könnte eine zeitweilige Beschäftigung mit Fantasy und Science-Fiction für den psychischen Haushalt und den abenteuerlustigen Geist von Vorteil sein, vor allem in einer stocksteifen Gesellschaft, die leider nur zu oft alles um des schnöden Mammons willen tut.
Für jeden, der sich also künftig eingehender mit dem Genre Fantasy beschäftigen möchte, bietet sich noch bis einschließlich 18. März die Gelegenheit, im Ratskeller des Cercle Cité eine Ausstellung zum Wirken des kanadischen Buchillustrators John Howe zu besuchen.
Allen anderen, deren Interesse nun diesbezüglich geweckt ist, die Ausstellungen aber gekonnt meiden, dürfte die am 14. und 15. April stattfindende Luxcon 2018 eher zusagen.


3 Fragen an Daphné Boehles, Bibliothekarin

Wie vielfältig ist die hiesige Fantasy-Szene?
Ich stelle fest, dass so einige junge Schriftsteller sich an das Genre herantrauen oder gar in der Fantasy ihre ersten Schreibversuche machen, da es ein Genre ist, mit dem sie am meisten in Kontakt sind. Cosplay ist in Luxemburg auch gut vertreten. Hier manifestiert sich der Hang zum Individualismus, aber auch der Wunsch, zu einer Gruppe zu gehören.

Wie erklärt sich die Kluft, die im paraliterarischen Bereich zwischen Krimi und Fantasy/ Sci-Fi herrscht?
Mir sind keine Verkaufszahlen bekannt, ein Blick auf die Bestsellerlisten verrät aber, dass sich der Kriminalroman weitaus besser verkauft als die beiden anderen Genres. Dies liegt wohl einerseits am Vertrieb: Krimis erscheinen meist bei luxemburgischen Verlegern, deren Kontakte zu Buchhandlungen besser sind, da wo Fantasy oft im Eigenverlag oder im Ausland erscheint. Die (jungen) Leser sind von der deutsch- oder englischsprachigen Fantasy angezogen, weil die in den Medien viel sichtbarer ist. Dass unsere Literaturszene ein Mikrokosmos ist, kann ein Segen, aber auch ein Fluch sein – wenn man als gestandener Politiker ein Buch herausbringt, ist es relativ leicht, erfolgreich zu sein. Ein Erstlingswerk eines noch unbekannten Autors wird es deswegen aber vielleicht schwerer haben, sich durchzusetzen. Lange Zeit wurde Fantasy außerdem als Literatur für Kinder und Jugendliche empfunden. Es fehlt zudem an Buchbesprechungen in den Medien. Durch Events wie die Luxcon oder auch das LiteraturLabo am 22. März wird dieser Tendenz aber etwas gegengesteuert.

Wann begann die Geschichte der luxemburgischen Fantasy? Wie hat sich diese entwickelt?
Man kann dies umso schwieriger festlegen, da die Grenzen zwischen Sci-Fi und Fantasy oft verschwimmen. Am Anfang der luxemburgischen (und internationalen) Sci-Fi steht ganz klar Hugo Gernsback. Was jetzt die Fantasy anbelangt: Beim „Renert“ gibt es sprechende Tiere – inwiefern es sich dabei um Fantasy-Elemente handeln könnte, lässt sich diskutieren. Geht man vom Autorenlexikon aus, leben außer Gernsback alle Sci-Fi- und Fantasy-Autoren noch. Ab wann man in diesem Sinne von Literaturgeschichtsschreibung reden kann, weiß ich nicht …