Tragikomisches Märchen

Tragikomisches Märchen
(Warner Bros.)

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Traurige Geschichten anhand von Komödien zu erzählen, ist beileibe keine einfache Angelegenheit. Til Schweiger ist es mit dem Thema Alzheimer gelungen.

Honig im Kopf

Regie: Til Schweiger

Mit: Dieter Hallervorden, Tobias Moretti, Til Schweiger, Emma Schweiger

Dauer: 139 min

Der Film läuft zurzeit in mehreren luxemburgischen Kinos.

Weitere Infos: www.cinema.lu

Die junge Tilda (Emma Schweiger) liebt ihren Großvater Amandus (Dieter Hallervorden) über alles. Der erkrankt jedoch an Alzheimer. Er wird zunehmend vergesslicher und findet sich zu Hause nicht mehr zurecht. Für den pensionierten Tierarzt sieht es deshalb wohl nach Seniorenheim aus. Niko (Til Schweiger), der Vater von Tilda und Sohn von Amandus, hält es für das Beste, den alten Mann in Betreuung zu geben. Doch die elfjährige Tilda akzeptiert diese Entscheidung nicht. Sie ist ganz und gar anderer Meinung und will ihre Eltern nicht alleine darüber entscheiden lassen, eben auch weil sie meint – so wie es der Arzt ihr erklärte –, der Großvater brauche vor allem ihre Liebe. Kurzerhand entführt Tilda den verdutzten Opa, der so gerne noch einmal Venedig sehen würde. Was folgt, ist eine spannende und turbulente Reise.

Es ist kein neues Thema, das Til Schweiger für den Film entdeckt hat. Filme mit Charakteren, die an Alzheimer erkrankt sind, gibt es zwar genügend, Filme jedoch, in denen die Krankheit zentrales Thema ist, nicht.

Zwei Beispiele: Im deutschsprachigen Kino gab es 2011 das Drama „Vergiss dein Ende“ von Andreas Kannegießer. „Claire – Se souvenir des belles choses“ ist ein französisches Liebesdrama von Zabou Breitman aus dem Jahr 2001, das sich dem gleichen Thema widmet. (Auch in diesem wurde eine der beiden Hauptrollen von einem Komiker, Bernard Campan, gespielt.)

Kein clownesker Humor

Neue Wege geht Schweiger in dem Sinn, dass er das Thema „Alzheimer“ in eine Komödie packt. Aber wie lachen über ein so ernstes Thema? In der Hinsicht hat uns „Honig im Kopf“ an den Film „La vita è bella“ von Roberto Benigni aus dem Jahre 1997 erinnert. Der italienische Komiker drehte eine Komödie über den Holocaust. Beiden, Benigni und Schweiger, ist es gelungen, die Zuschauer mit einem todernsten Thema zum Lachen zu bringen. In beiden Filmen erwartet den Hauptdarsteller am Ende der Tod.

Dieter Hallervorden vollbringt in der Rolle des Amandus eine schauspielerische Glanzleistung. Als Blödel-Didi aus „Nonstop Nonsens“ war er den Zuschauern vor allem als Komiker bekannt, dessen Witze nicht viel Tiefgang hatten. Für Hallervorden ist es nach „Das Kind“ (2012) und „Sein letztes Rennen“ (2013) die dritte ernstere Rolle.

Sein Part ist zwar komisch, allerdings ist es kein clownesker Humor, der den Zuschauer zum Lachen bringt, sondern die Situationen, in denen er sich als Kranker befindet.

Sein Spiel bleibt seriös, kein aufgesetztes „Komischsein“, das die Alzheimerkrankheit veräppeln würde. Die Gags und Witze sind natürlich und wirken nie beklemmend. Die 2002 geborene Emma Schweiger, die schon in mehreren Filmen an der Seite ihres Vater mitspielte hat, ist erfrischend natürlich.

Ansonsten ist der Film eine kurzweilige Unterhaltung. Um seinen Film zu erzählen, wählte Schweiger das beliebte Märchenthema der Reise. Der Held und die Heldin müssen in die große weite Welt hinaus. Am Ende wartet die Erlösung aus einer schwierigen Situation. Das Ziel der Reise, Venedig, löst zwar nicht das Alzheimerproblem von Amandus, bringt die Familie, in der es kriselte, aber wieder zusammen. Niko und seine Frau Sarah wollten sich trennen, am Ende bleiben sie zusammen.

Die im Film auftauchenden Nebenfiguren tragen märchenhafte Züge: Sie sind gut oder böse. Bei ihnen finden sich keine tiefgründige Charakterzüge.

In diesem Märchen gibt es nur zwei „böse“ Gestalten: Der verständnislose Gast im Restaurant, der meint, als Kranker solle Armandus zu Hause bleiben, und Sarahs Chef (Jan Josef Liefers). Ihnen gegenüber stehen die Guten: der verständnisvolle Restaurantbesitzer, der witzige HotelConcierge, die gute Oma, der „weise“ Arzt (Tilo Prückner) sowie der hilfsbereite Einwanderer.

Als Regisseur benutzt Schweiger überdurchschnittlich viel die Großaufnahme, um die Familie – die vier „Helden“ der Geschichte – in Szene zu setzen. Die „Bösen“ sind vor allem in der halbnahen oder halbtotalen Perspektive gezeigt. Bildlich gesprochen: Man will sie nicht zu nah ranlassen.

Für Tilda ist die Reise ein Schritt näher ans Erwachsenwerden. Sie ist die einzige, die beim Begräbnis des Großvaters nicht am Grab steht. Sie liegt in einer Wiese, schaut den Wolken zu und spricht zu ihrem Opa. Sie hat alles getan, um dem alten Mann zu helfen und braucht sich nichts vorzuwerfen.

Er fehlt ihr, aber sie ist nicht am Boden zerstört. Die gemeinsame Reise nach Italien hat ihr unvergessliche Momente geschenkt.