Tomas Tranströmer ist tot

Tomas Tranströmer ist tot
(Marius Becker)

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Seit einem Schlaganfall konnte sich der schwedische Poet Tomas Tranströmer nur noch mit größter Mühe verständigen. Die Sprache seiner Gedichte aber berührte viele Leser. Nun starb er mit 83.

Als der Schwede Tomas Tranströmer 2011 den Literaturnobelpreis entgegennahm, konnte er kaum ein Wort des Dankes sagen – und löste trotzdem Begeisterungsstürme aus. Im Rollstuhl dankte der Lyriker, dem ein Schlaganfall 1990 fast sein ganzes Sprechvermögen genommen hatte, mit einem unwiderstehlich offenen Lachen. Er schien sogar mit König Carl XVI. Gustaf zu feixen. Mit dem Dichter starb nun einer der beliebtesten Autoren Schwedens. Er wurde 83 Jahre alt.

Nicht nur in seiner Geburtsstadt Stockholm wurde Tranströmer geliebt und bewundert. Seine schmalen Gedichtsammlungen wurden auch in Dutzende Sprachen übersetzt und fanden Leser weltweit.

Einfluss auf Weltliteratur

Die wohl wichtigste Literaturauszeichnung der Welt bekam der Lyriker laut der Schwedischen Akademie, weil er „uns in komprimierten, erhellenden Bildern neue Wege zum Wirklichen weist“. Ein Mitglied des Nobelkomitees nannte Tranströmer in seiner Laudatio einen „der wenigen schwedischen Autoren, die Einfluss auf die Weltliteratur gehabt haben“. In der Geschichte der Auszeichnung war Tranströmer der achte Schwede, dem der Literaturnobelpreis zuerkannt wurde und insgesamt der 108. Preisträger.

Den Nobelpreis nahm Tranströmer im Jahr seines 80. Geburtstags entgegen, der Leser, Kritiker und Kollegen zu Liebeserklärungen angeregt hatte. Die große schwedische Zeitung „Aftonbladet“ nannte Tranströmer den „Poet, den alle lieben“. Dass ihm der Nobelpreis nicht schon früher zuteil gekommen war, führten manche auf Bedenken der Akademie zurück, einen heimischen Literaten zu ehren, andere auf die vermutete Angst, der viele Rummel um den prestigeträchtigen Preis könne zuviel für den schwerbehinderten Tranströmer sein.

Psychologe für Strafgefangene

Mehr als ein halbes Jahrhundert verging nach seinem Debüt als Lyriker 1954, bis der Schwede den Preis bekam. Zwischen den ersten Veröffentlichungen und dem Ruhm arbeitete Tranströmer erst als Anstaltspsychologe für jugendliche Strafgefangene, später als Berufsberater in Arbeitsämtern. Seinen Beruf als Psychologe gab der Journalistensohn, der in Stockholm auch Literatur- und Religionsgeschichte studiert hatte, bis zum Schlaganfall nicht auf.

Zu seinen Gedichten inspirierte ihn unter anderem eine Insel in den Schären Runmarö, auf der er viele lange Sommer in seiner Kindheit verbrachte. „Wo andere hundert Worte machen würden und zehn genügten, da gibt uns Tranströmer ein einziges“, schrieb die „FAZ“ über „Das große Rätsel“ – Gedichte in der äußerst kurzen Haiku-Form, die der kranke Dichter sich mit Unterstützung seiner Frau abgerungen hatte, und die 2005 in deutscher Übersetzung erschienen.

Verleihung des Nobelpreises

Monica Bladh-Tranströmer war stets treue Begleiterin ihres Mannes und ergriff etwa bei der Verleihung des Nobelpreises auch das Wort für ihn. „Er ist unglaublich gerührt“, sagte sie damals laut „Aftonbladet“. Beeindruckt bemerkten Beobachter, wie sich Tranströmer und seine Frau ohne Worte, aber mit viel Wärme verständigten.

In Stockholm lebten die beiden zwar zurückgezogen. Als er nach der Nobelpreis-Zuerkennung Besuche aus aller Welt bekam, nahm Tranströmer die Glückwünsche aber freudig und offen entgegen.