Im Werden begriffen

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Wegen der Revolutionen in Tunesien und Ägypten sowie des Konfliktes in Libyen wollten in diesem Jahr weniger Touristen als in den Jahren zuvor nach Nordafrika.

Um ihren Kunden zu zeigen, dass Ägypten ein durchaus sicheres und dabei noch sehr schönes Reiseland ist, lud der Veranstalter LuxairTours die Presse vor einigen Wochen zu einer
„Best of Egypt“-Tour ein.

Die Geschichte Ägyptens als Ziel des Massentourismus begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damit war das Land am Nil die erste „exotische“ Destination, die von der Tourismusindustrie erschlossen wurde. Insbesondere die Pyramiden von Gizeh und die antiken Stätten in Oberägypten galten damals als Anziehungspunkte.

Seit den 1980er-Jahren, nachdem Israel die Sinai-Halbinsel vollends an Ägypten zurückgegeben hatte, werden am Roten Meer (Scharm El-Scheich, Hurghada, Marsa Alam) wahre Touristenhochburgen mit zum Teil riesigen All-inclusive-Hotels für (fast) jeden Geldbeutel errichtet. Mit Ausnahme einiger kleiner Rückschläge stiegen die Touristenzahlen in den letzten Jahren kontinuierlich. Bis zu Beginn dieses Jahres in Ägypten die Revolution stattfand. Laut der ägyptischen Tourismusbehörde gingen die Besucherzahlen im Februar 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zurück. Im März waren es immerhin noch 60 Prozent weniger Touristen, im April nur noch 28 Prozent.

22 bis 36 Prozent weniger Buchungen

Der luxemburgische Reiseveranstalter LuxairTours verzeichnete im Winter dieses Jahres 22 Prozent weniger Buchungen für Ägypten als im Vorjahr, in der Sommersaison sind es bislang gar 36 Prozent weniger. Für Tunesien gestaltet sich die Situation noch schwieriger und auch das Reiseziel Marokko ist betroffen, obwohl dort keine Revolution stattfand. „Wir glauben nicht, dass ein Unsicherheitsgefühl bei unseren Kunden ausschlaggebend für den Rückgang ist“, erklärte Yves Hoffmann, Pressesprecher der Luxair-Group. Eher sei es eine Frage des Komforts: „Die luxemburgischen Touristen wollen in ihrem Urlaub nicht gestört werden. Der Stress einer Rückführung, wie wir sie wegen der Proteste in Tunesien und Ägypten durchführen mussten, schreckt viele Gäste ab“, so Hoffmann.

LuxairTours hat auf die negativen Zahlen reagiert: Einerseits wurden eine Reihe von Flügen nach Nordafrika gestrichen, andererseits zusätzliche Destinationen angeboten. Besonders erfolgreich seien 2011 Mallorca, das zurzeit einen Boom erlebe, und neuerdings auch Bulgarien, wo LuxairTours einen Zuwachs von 60 Prozent verzeichnet, wie Patrick Lamesch, Sales-Manager des Reiseveranstalters, erläuterte.
Diese Maßnahmen führten dazu, dass LuxairTours seine globale Situation trotz der Proteste in Nordafrika noch verbessern konnte. Am 16. Mai 2011 zählte das Reiseunternehmen 168.000 Kunden, 2.000 mehr als im Vorjahr.

Sonderangebote

Um auch wieder mehr Touristen nach Ägypten, Tunesien und Marokko zu locken, hat LuxairTours in diesem Sommer Sonderangebote ins Programm genommen. So ist eine Woche All-inclusive-Urlaub am roten Meer in Hurghada schon für 599 Euro zu bekommen.

Über mehr Besucher würde auch Amr El-Ezaby, Vorsitzender der ägyptischen Tourismusbehörde, sich freuen. Das Produkt Ägypten sei in den vergangenen Jahren ständig verbessert worden, sagte El-Ezaby. Heute zähle man allein am Roten Meer 120.000 Hotelbetten, vor 1985 seien es noch einige Hundert gewesen.

Kairo, Luxor,der Nil und das Rote Meer

Zurzeit laufe die zweite Phase der Produktentwicklung. Das Highlight dieser Phase sei die weiterführende touristische Erschließung der am Mittelmeer gelegenen Küstenregion zwischen Alexandria und Marsa Matruh, die wegen ihrer weißen Sandstrände den Produktnamen „White Med“ erhalten hat. Von hier aus soll dann auch der „Western Desert“ (libysche Wüste) mit seinen Oasen und Beduinenvölkern insbesondere für den Massenkulturtourismus zugänglich gemacht werden.

Nachdem die Reisebeschränkungen nach Ägypten im Februar aufgehoben worden waren, sei Ägypten längst wieder bereit, Touristen zu empfangen, meinte Amr El-Ezaby.

In den letzten Monaten habe das Land einen großen Schritt in Richtung Demokratie getan. Die Revolution habe bewirkt, dass jeder Bürger Ägyptens sich seiner Rechte und Pflichten bewusst geworden sei. Die Hoffnung und Kreativität in der Bevölkerung seien deutlich spürbar.

Kleine, friedliche Demonstrationen

Ein Anzeichen dafür sind die kleinen, friedlichen Demonstrationen, die man zurzeit in Kairo beobachten kann. Auch vor dem Sitz des Tourismusministeriums, dem „Misr Travel Tower“ am Abbassia Square, skandierten vor einigen Wochen noch Mitarbeiter lautstark Sätze wie „Die Spardose ist voller Geld, wir wollen ein wenig davon“.

In Kairo begann auch die Pressereise von LuxairTours. Angefangen bei den Pyramiden von Gizeh und der Sphinx ging es per Bus durch die 20-Millionen-Einwohner-Metropole. Diese laute, äußerst bunte und kulturell vielfältige Stadt an einem Tag zu erkunden, ist unmöglich, doch die unzähligen Fetzen an Bildern, Eindrücken und Informationen, die der Reisende bei der Durchquerung der größten Stadt Afrikas aufschnappt, bleiben hängen. Wie zurzeit so vieles in Ägypten, wirkt auch die Hauptstadt unfertig, oder besser gesagt: im Werden begriffen.

Touristische Anziehungspunkte

Die Stadt Luxor, rund 600 Kilometer weiter südlich von Kairo am Nil gelegen, ist vor allem für die archäologischen Schätze aus dem antiken Theben berühmt: Die Pharaonengräber im Tal der Könige und im Tal der Königinnen, der Totentempel der Hatschepsut oder die Karnak-Tempel außerhalb von Luxor sind wahre touristische Anziehungspunkte.

Weil zurzeit jedoch weniger Reisende als gewöhnlich nach Ägypten fahren, sind auch die archäologischen Stätten gut zugänglich. Und überall gibt es billige Souvenirs zu kaufen. Die Händler begrüßen die Touristen mit einem herzlichen „Welcome to Egypt, where are you from?“, erst danach beginnen die Verhandlungen um den Preis der Leinenschals, Miniaturpyramiden und Skarabäen. Ebenfalls von Luxor aus können Touristen eine einwöchige Nil-Kreuzfahrt bis nach Assuan unternehmen.

Für All-inclusive-Fans dürfte in Hurghada am Roten Meer ein Traum in Erfüllung gehen. In einem Ambiente wie in Las Vegas (wo übrigens auch eine Pyramide und eine Sphinx stehen) kann man golfen, schnorcheln, tauchen oder einfach nur faul am Strand liegen. Und das weniger betuchte Ägypten, das man beispielsweise in Kairo und den ländlicheren Regionen durchaus findet, scheint in Hurghada weit entfernt. Doch selbst hier ist Ägypten im Werden begriffen. Riesige Hotels werden immer noch zahlreich gebaut. Und eine große Moschee am Hafen.