Testamentseröffnung: Das Erbe des „Food for your Senses“

Testamentseröffnung: Das Erbe des „Food for your Senses“

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Das öffentlich-rechtliche Radio 100,7 lädt auf dem Festivalgelände der letzten Edition des „Food for your Senses“ zum Rundtischgespräch mit Blick auf die Zukunft. Diskussionsteilnehmer sind die Kulturministerin Sam Tanson, Luka Heindrichs („Food for your Senses“), Michel Welter (Atelier), John Rech („Fête de la musique Diddeleng“) und Nick Friedl („Koll an Aktioun“).

Von Tom Haas

Nachdem mit dem Rock-A-Field bereits 2016 das größte, kommerzielle Festival Luxemburgs auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt wurde, folgt 2019 für das „Food for your Senses“ als ehrenamtliches, unabhängiges Festival das gleiche Schicksal. Die Diskutanten, fest verwurzelt in der nationalen Musikszene, gehen den Ursachen hierfür auf unterschiedlichen Ebenen nach.

Luka Heindrichs beklagt vor allem die fehlende Unterstützung von öffentlicher Seite – nicht in finanzieller, sondern in tatkräftiger und auch ideeller Hinsicht. Gerade bei der Ortswahl sei den Veranstaltern auf traurige Weise die Hilfe versagt blieben, gemachte Zusagen wurden zurückgezogen oder ein Gelände in Rufweite zwischen Autobahn und Fabrikbaustelle sei aus unerfindlichen Gründen ein Naturschutzgebiet. Im Kulturministerium sei vielen Mitarbeitern überhaupt nicht klar, was ein Festival braucht – und weshalb es ein solches überhaupt gibt. Für die Entscheidungen, die gefällt werden müssten, fühlt sich niemand zuständig.

Tanson führt dagegen berechtigterweise ins Feld, dass das Problem mit der Knappheit an geeignetem Gelände sich nicht auf Festivals beschränkt, sondern in Luxemburg weit größere Dimensionen hat. Zwar sei der Staat in der Lage, hier proaktiv als Mediator aufzutreten, allerdings seien geltende Richtlinien und Gesetze zu berücksichtigen und es könne auch nicht das Ziel sein, Kultur gegen Naturschutz auszuspielen. Trotzdem räumt sie die Wichtigkeit dieser Veranstaltungen für das kulturelle Leben Luxemburgs unumwunden ein. Eine frühere Besetzung des Ministerpostens mit einer Person ihres Formats hätte das Festival möglicherweise am Leben gehalten.

Ein Samen, der Früchte trägt

Das „Food for your Senses“ war auch eine Schule für die Veranstaltungspraxis in Luxemburg, die sich in den letzten 15 Jahren zunehmend diversifiziert und professionalisiert hat. Nick Friedl als Veranstalter des „Koll an Aktioun“ hat das Handwerk hier gelernt, die Probleme mit der Suche nach einem geeigneten Gelände ergaben sich für ihn allerdings nicht – das Festival, das am 8. und 9. Juni in Rambruch stattfindet, wurde um das Gelände des Schiefermuseums herum konzipiert. Vielleicht könnte das Modell Schule in Luxemburg machen – nicht ein Gelände für ein Festival suchen, sondern ein Festival passend zum vorhandenen Gelände von Grund auf entwerfen.

Die Erkenntnis, dass Luxemburg seinen eigenen Weg zur Festivalkultur finden muss, hat sich auch bei Michel Welter eingestellt, nachdem die zweitletzte Edition des Rock-A-Field das Atelier fast in den Ruin getrieben hätte. Das Rezept, die großen Namen der internationalen Leuchtturm-Open-Airs ebenfalls zu buchen, um den Leuten die Acts vor der Haustür zu präsentieren, ist nicht aufgegangen, dafür sei der lokale Markt zu klein. Trotzdem sieht Welter eine große Nachfrage nach kulturellen Veranstaltungen in Luxemburg und führt das „Siren’s Call“ als Erfolgsmodell an, das bei höherer Nischenspezialisierung und weniger Aufwand einen beachtlichen Erfolg erzielt hat.

Einigkeit der Erben

John Rech, der Veranstalter der „Fête de la musique“ in Düdelingen, hebt noch mal die Wichtigkeit der lokalen Festivals als Startrampe für die luxemburgische Musikszene hervor und tatsächlich zeigt sich, dass alle Veranstalter am Tisch eine konstant hohe Anzahl luxemburgischer Künstler in ihren Bookings vereinen. Die Haltung gegenüber den hiesigen Musikern habe sich zudem in den letzten Jahren verändert – so seien früher luxemburgische Bands meist im Nachmittagsprogramm gelaufen, während die renommierten Slots am Abend für internationale Acts reserviert waren. Inzwischen wird das oftmals hohe künstlerische Niveau der nationalen Musikproduktionen allerdings entsprechend gewürdigt und gerade das diesjährige „Food for your Senses“ hat gezeigt, dass auch ein rein luxemburgisches Set als Headliner funktioniert, selbst wenn der „Coup de coeur“ am Samstagabend zugegebenermaßen in dieser Art wohl einzigartig bleiben wird.

Um die Festivalkultur in Luxemburg am Leben zu halten und an neue Ufer zu führen, braucht es also neben der politischen Unterstützung auch innovative Konzepte, die die luxemburgische Übersichtlichkeit, sowohl geografisch als auch künstlerisch, nicht als Schwäche begreifen, sondern zu ihrem Vorteil auszulegen wissen. Die Internationalität und Mehrsprachigkeit der Szene gehört zu ihren Stärken, ebenso der Umstand, dass man sich notgedrungen nun einmal kennt und sich gegenseitig unterstützen kann. Auf diese Weise können schmerzliche Verluste wie das „Food for your Senses“ in Zukunft vielleicht verhindert werden. Die entstandene Leerstelle lässt auf jeden Fall Platz für Leute, denen die luxemburgische Musikszene ebenso am Herzen liegt wie Luka Heindrichs und seinem Team. Mögen sich würdige Erben finden.

Das vollständige Gespräch zum Nachhören