„Was bleibt, ist die Erinnerung“

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Rund 125 Jahre hat das Haus auf Nummer 3 im Quartier auf dem Buckel. Demnächst wird es abgerissen. Zuvor nutzt eine Künstlerbewegung, initiiert von Théid Johanns, es für eine Ausstellung. "Quartier 3" heißt das Projekt ganz simpel.

Unter den Schuhen knarrt es. Hier und da hat das wurmstichige Parkett bereits Löcher. Zentimeterbreite Risse klaffen in den Wänden, es riecht feucht. Und wohin das Auge blickt: Kunst. Von traditioneller Malerei und Skulptur über innovative Konzeptkunst bis hin zu multimedialen Installationen.

Doch „Quartier 3“ ist viel mehr als eine „banale“ Ausstellung wie es deren permanent Dutzende im Land gibt. „Quartier 3“ ist eine Philosophie. Oder zumindest der Anfang davon.

Einst beherbergte das altehrwürdige Herrenhaus unweit des Rathausplatzes eine der ersten Apotheken der Stadt Esch. Später war dann jahrzehntelang ein Zeitungsladen dort im Erdgeschoss untergebracht.

Bis vor einer Reihe von Jahren noch bewohnten mehrere Familien das Gebäude, das seitdem leer stand und nun einem schicken Wohnungsbauprojekt weichen soll.

33 Künstler aus dem In- und Ausland

Bald werden die Bagger anrollen, aber zuvor sind das Haus und sein schöner Garten zum Ort eines künstlerischen Events geworden. 33 Maler und Bildhauer, Fotografen, Video- und Konzeptkünstler haben die letzten Wochen und Monate damit verbracht, „Quartier 3“ einen etwas anderen „Lebensabend“ zu verpassen. Initiiert hat das Ganze der Escher Künstler Théid Johanns; „Die Idee zu dem Ganzen hatte ich schon längere Zeit in mir. Ich habe bereits mehrfach an ähnlichen Aktionen teilgenommen und wollte auch in Esch so etwas realisieren. Über die Gemeindeverwaltung erfuhr ich, dass dieses Gebäude demnächst einem Wohnungsbauprojekt weichen soll. Den verantwortlichen Bauunternehmer kannte ich persönlich, so dass das Eis schnell gebrochen war und dieser seine Zusage gab. Anschließend überlegte ich mir, welche Künstler in Frage kommen würden und kontaktierte sie.“

Johanns möchte es auch nicht bei diesem einen Event belassen und hat präzise Vorstellungen: „Wir wollen als Bewegung Gebäuden, die dem Abbruch preisgegeben sind, noch ein letztes Mal Leben einzuhauchen. Wir möchten dabei auf die Bauwerke eingehenund uns mit ihnen künstlerisch auseinander setzen. Das muss nicht, wie in diesem Fall ein Herren- oder Geschäftshaus sein. Das kann auch eine Industriehalle sein oder ein Plattenbau. Da wollen wir uns keine strikte Regeln geben. Wir wollen mit solchen Aktionen natürlich auch dazu beitragen, die Stadt Esch auf künstlerischer Ebene aufzuwerten.“

„Es soll nie zu einem ’Club‘‚ werden“

Wenn Théid Johanns „wir“ sagt, dann meint er einen mehr oder weniger lockeren Zusammenschluss von Kunstschaffenden. Er will vermeiden, dass es immer und immer wieder dieselben Aussteller sind, die bei den Aktionen mitmachen: „Es soll nie zu einem Club werden, niemals zu einem festen Clan ausarten, der aus immer denselben Künstlern besteht. Einige fallen weg, andere kommen hinzu. Eine Bewegung eben. Bei dem aktuellen Event sind sowohl bekannte und anerkannte luxemburgische und ausländische Künstler darunter als auch komplett unbekannte, die bislang noch niemals ausstellten. Mit solchen Initiativen wollen wir es auch möglich machen, solchen Talenten eine Plattform zu geben.“

Die Vernissage zu „Quartier 3“ am vergangenen Freitag wurde zum vollen Erfolg. Noch bis Ende Mai bleibt Zeit, sich das zum gesamtkunstwerk umgemodelte Bauwerk anzusehen. Jedes Wochenende, freitags bis sonntags von 14 bis 22 Uhr. Dann ist‘s vorbei. Schade eigentlich! Théid Johanns sieht‘s nicht so: „Das ist genau das, was ich so genial an der ganzen Geschichte finde. Wir bauen kein Monument, wir realisieren einen Moment. Und dann ist es weg! Aber was bleibt, ist die Erinnerung. Und genau das finde ich verdammt wichtig.“