So tief und vielschichtig wie das Meer

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Morgen läuft die luxemburgisch-schweizerische Produktion „Tausend Ozeane“ im Utopia an. Ein Film, dem es gelingt, Themen in Bilder zu übersetzen, für die oft die Worte fehlen. Absolut sehenswert./ Janina Strötgen

Als der Vater (Thierry van Werveke) seinem Sohn Meikel (Max Riemelt) das Mikrofon in die Hand drückt, damit der Sohn sich der versammelten, Champagner schlürfenden Belegeschaft als Juniorchef des väterlichen Autohauses vorstellt, hat Meikel eigentlich gar nichts zu sagen. Unsicher bedankt er sich bei seinem Vater für die Lehrjahre und flüchtet nach draußen, auf den Parkplatz, zu seinem Freund Björn (Maximilian Simonischek), der ihn in Jeans und Flip Flops mit einem Flugticket auf die Malediven empfängt.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Meikel steigt zu Björn ins Auto und flieht vor den Erwartungen seines Vaters in Richtung Flughafen. Strand, Sonne, Bier und Bekanntschaften folgen, bis – mitten im Film – alles anders wird: Es knallt und nichts ist mehr, wie es zu sein schien …

Rückkehr aus „Gottes Badewanne“

 „TAUSEND OZEANE“

o Wann und Wo? Ab morgen im Utopia

o Internet:
www.utopolis.lu

o Information zum Film:
http://www.tausend-ozeane.com

Langsam und behutsam lüftet sich das Geheimnis, das Meikel nach seiner Rückkehr aus „Gottes Badewanne“ – wie einer der Jungs Cocoa Island auf den Malediven treffend beschreibt – empfängt. Die Spannungen mit den Eltern steigern sich, der Freund ist nicht mehr zu erreichen. Unsicherheit und Gefühlschaos machen sich in Meikel breit. Nur der Hund oder das Walross kommen noch an ihn heran.
Was wie ein lockerer Unterhaltungsfilm, der von jugendlicher Unternehmungslust und dem Drang nach Freiheit erzählt, beginnt, entpuppt sich als berührendes Drama über die Konsequenzen einzelner Sekunden. Trotz aller Tragik verliert der Film aber nie seine Leichtigkeit, die Geschichte wird nicht düster, sondern fängt an zu schweben, wie im luftleeren Raum, ober eben wie unter Wasser. Gekonnt verflechtet der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Luki Frieden in seinem zweiten Film mehrere Ebenen miteinander. Ebenen zwischen Leben und Tod, zwischen Wirklichkeit und Fantasie, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die doch alle durch das dominierende Thema des „Loslassen könnens“ miteinander verbunden sind. Rückblenden und Ortswechsel nehmen den Zuschauer in unterschiedliche Wahrnehmungswelten mit, die die Kameraführung von Carlo Thiel treffsicher umsetzt: Die Innenwelt des Protagonisten wird herangezoomt, seine Kindheit hingegen aus der Vogelperspektive erzählt, während das reale Leben wie nebenbei in ruhigen Bildern vorbeizieht.
Besonders die Luxemburger wird der Film neben den verschiedenen Inhaltsebenen, der verstörenden Kraft seines Themas und der Tiefe des Drehbuchs vor allem auch wegen des Auftritts Thierry van Wervekes berühren, der als alkoholsüchtiger, gescheiterter und auf seine Art liebenswerter Vater eine besondere letze Rolle spielt. Die Koproduktion zwischen der Schweiz und Luxemburg, bei der zahlreiche von unseren Theaterbühnen bekannte Schauspieler, wie Nicole Max, Charles Muller, Nora König oder Myriam Müller auftreten, beweist: Auch kleine Länder machen großes Kino!

 
3FRAGEN AN Luki Frieden


Tageblatt: Was ist für Sie das Hauptthema des Films?
Luki Frieden: „Die Geschichte und ihre verschiedenen Ebenen werden durch das Thema „Loslassen“ zusammengehalten. Immer wieder gibt es Abschiedsszenen: Das Abkapseln eines Zwanzigjährigen von den Eltern, das Zurücklassen eines guten Freundes oder die Frage, wie viel Mut man braucht, einen geliebten Menschen gehen zu lassen …“

„T“: Neben der Schweiz und Luxemburg spielt der Film auch auf den Malediven. Welche Rolle spielen sie in dem Film?
L.F.: „Die Insel, der Strand und vor allem der endlose Ozean sind eine Metapher für das Paradies. Jeder Mensch kennt die Gefühle, die Sand, Sonne und Wärme auslösen. Einfach in ein Flugzeug zu steigen, alle Probleme hinter sich zu lassen und abzuhauen, diesen Impuls hatte wohl jeder schon einmal. Doch im Laufe des Films bekommt die kleine Insel der Malediven eine noch größere Dimension.“

„T“: Wie war es, mit Thierry van Werveke zu arbeiten?
L.F.: „Der Mensch Thierry van Werveke hat die Rolle des Vaters verändert. In meinem ursprünglichen Drehbuch war die Person des Vaters viel gradliniger, viel karrierebewusster. Doch als ich anfing, mit Thierry zu arbeiten und mit ihm über die Rolle zu sprechen, hatte ich einen zerbrechlichen Menschen vor mir. Das hat der Rolle eine neue Dimension gegeben und sie vielschichtiger gemacht. Thierry hat den Film bereichert.“