Sind zwei Bilder 100 Millionen Euro wert?

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Kunstverkauf für den Fortbestand des Glücksspiels: Eine umstrittene Auktion von zwei Warhol-Bildern aus Nordrhein-Westfalen steht in New York bevor. Der Casino-Betreiber Westspiel braucht Geld, um sein Roulette-Geschäft aufzumöbeln.

Wenn die Prognosen auch nur halbwegs hinkommen, ist es das beste Geschäft, das der nordrhein-westfälische Casino-Betreiber Westspiel je gemacht haben dürfte. Eine Investition von 1977 und 1978 könnte gewaltigen Ertrag bringen – wenn denn zwei Siebdrucke von Andy Warhol tatsächlich am Mittwochabend in New York (Ortszeit) für zusammen umgerechnet 100 Millionen Euro verkauft werden. Allerdings: Der Kunstmarkt ist unberechenbar – in jeder Hinsicht.

Dabei waren die Werke gar nicht als Geldanlage gedacht, sondern als Wandschmuck. Für 183 000 Mark kaufte 1977 die Aachener Spielbank «Triple Elvis» von 1963. Ein Jahr später wurde noch «Four Marlons» von 1966 für 205 000 Mark gekauft. Das waren etwa 100 000 Dollar. Jetzt könnten jedes der Bilder 60 Millionen Dollar bringen.

Geld für ein neues Casino

Westspiel, eine 100-prozentige Tochter der landeseigenen NRW.Bank, würde von dem erhofften Erlös 80,6 Millionen Euro bekommen, um den Spielbanken-Betrieb zu sanieren und ein neues Casino in Köln zu bauen. Sollte mehr verdient werden, so würde das überschüssige Geld nach Abzug einiger Mittel im klammen NRW-Landeshaushalt landen. Westspiel betreibt vier Casinos in Nordrhein-Westfalen und je eines in Erfurt und Bremen. In den letzten Jahren machte Westspiel Millionenverluste.

Die Motive auf den beiden gut zwei Meter hohen Bildern sind Ikonen des 20. Jahrhunderts. Beide zeigen Stars, wie sie Warhol dutzendfach abbildete – oft mehrfach, als wäre bei der Entwicklung eines Fotos etwas falsch gelaufen. „Triple Elvis“ zeigt dreimal Elvis Presley aus dem Western «Flammender Stern» von 1960. «Four Marlons» funktioniert genau so: Zu sehen ist Marlon Brando mit Mütze und Motorrad aus dem Film «Der Wilde». Er ist, man ahnt es, vierfach zu sehen.

Noch 2009 hatte der «Triple Elvis» in einer Ausstellung im Grand Palais in Paris gehangen; die „Four Marlons“ waren Anfang der 2000er Jahre in einer Warhol-Retrospektive in Berlin, London und Los Angeles gezeigt worden. Danach verschwanden beide im Kellertresor – viel zu wertvoll für die Casino-Wand.

Präzedenzfall?

In Nordrhein-Westfalen kam es wegen der Versteigerung der Siebdrucke zur Sanierung eines indirekt dem Land gehörenden Unternehmens zu heftigem Streit. Alle namhaften NRW-Museumschefs sowie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Berlin protestierten und warnten die rot-grüne Landesregierung vor einem Tabubruch. Die Warhols müssten in NRW bleiben, sie gehörten zur Sammlungsgeschichte des Landes. Es werde ein Präzedenzfall geschaffen, dem andere folgen könnten: Raus mit der Kunst, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Doch die Landesregierung lässt sich nicht erweichen und unterstützt den Verkauf. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärte, es handele sich nicht um nationales Kulturgut und die Bilder seien Eigentum von Westspiel. Das Land habe aber nicht vor, Kunst aus direktem Landesbesitz zu veräußern.

Unberechenbarer Kunstmarkt

Aber ist überhaupt genügend Geld auf dem Markt? Die Antwort: Auf jeden Fall – aber der Kunstmarkt ist unberechenbar. „Eight Elvis“ war vor fünf Jahren für satte 100 Millionen Dollar versteigert worden. Der auf 50 Millionen geschätzte „Double Elvis“ brachte es vor zwei Jahren allerdings nur auf 37 Millionen. Und wie viel sind drei wert?

Ein schlechtes Gewissen, dass mit so etwas Edlem wie Kunst Millionen verschoben werden, muss eigentlich niemand haben. Schon Andy Warhol (1928-1987) selbst hatte seine Arbeit vor allem als Mittel verstanden, um seinen Lebenswandel zu finanzieren. Oder, um es mit den Worten des Meisters selbst zu sagen: „Geld zu verdienen ist Kunst. Und Arbeit ist Kunst. Und ein gutes Geschäft zu machen ist die beste aller Künste.“