Schiffbruch einer Ehe

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Zwölf Jahre nach „Titanic“ treibt das Traumpaar Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in „Revolutionary Road“ einmal mehr dem Untergang entgegen. Gegen die menschlichen Abgründe in der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Richard Yates nimmt sich ein Eisberg allerdings nahezu possierlich aus. Susanne Jaspers

Zwölf Jahre nach „Titanic“ treibt das Traumpaar Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in „Revolutionary Road“ einmal mehr dem Untergang entgegen. Gegen die menschlichen Abgründe in der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Richard Yates nimmt sich ein Eisberg allerdings nahezu possierlich aus.

Susanne Jaspers

„Rose!“ „Jack!“ „Rose!“ „Jack!“ – Hach, wem wird nicht heute noch ganz warm ums Herz, wenn er daran zurückdenkt, wie die vornehme Rose DeWitt Bukater und der mittellose Jack Dawson sich 1997 an Bord von James Camerons „Titanic“ kennen und lieben lernten. Wie sie eng umschlungen am Bug des Luxusliners standen, sich die Meeresbrise um die Nase wehen ließen und wie Jack „I’m the king of the world!“ in den Sonnenuntergang rief. Und ach, wem steigen nicht heute noch Tränen in die Augen bei der Erinnerung an das tragische Ende dieser ganz großen Liebe, an das in der eisigen See treibende Wrackteil, das die kräftige Kate Winslet in der Rolle der Rose nicht zusammen mit Jack auf dem Wasser zu tragen vermochte. Jack erfror, Millionen Kinogänger schluchzten und Leonardo DiCaprio ging als attraktivste Wasserleiche aller Zeiten in die Filmgeschichte ein.
Nun, viele Fernsehausstrahlungen von „Titanic“ und unzählige nassgeweinte Taschentücher später steht das einstige Hollywood-Traumpaar wieder gemeinsam vor der Kamera. Der Medienrummel um die Wiedervereinigung von Rose und Jack alias Kate und Leo dürfte die Zuschauer ebenso sicher an die Kinokassen strömen lassen wie das Plakat zu „Revolutionary Road“, auf dem die beiden sich ähnlich versunken aneinanderschmiegen wie dazumal auf dem Poster zum Schiffbruchsfilm. Mit dem Protagonistenpaar und dem Plakat erschöpfen sich die Parallelen zwischen den beiden Werken allerdings auch schon. Wohl zur teilweisen Enttäuschung des irregeleiteten Kinopublikums, das sich womöglich eine Neuauflage des bittersüßen Liebesdramas von 1997 erhofft hat und die bereits gezückten Taschentücher während der Vorführung von „Revolutionary Road“ verschämt wieder verschwinden lassen muss.
Natürlich durfte man von Kate Winslets Gatten Sam Mendes nicht erwarten, dass er sich nach Filmen wie „American Beauty“ oder „Jarhead“ auf einmal umbesinnt und von bitterböser Gesellschaftskritik auf romantische Inhalte umschwenkt. Wenn er sich dann ausgerechnet eines Romans von Richard Yates annimmt, muss jede Hoffnung auf melodramatische Gefühle auf der Leinwand im Keim ersticken. Yates, der bereits 1992 alkoholkrank, arm und weitgehend unbekannt starb, erfährt erst seit kurzem posthum jene verdiente literarische Anerkennung als einer der bedeutendsten Chronisten der amerikanischen Gesellschaft, die ihm zu Lebzeiten versagt blieb. In seinen heute hochgelobten Romanen und Erzählungen zeichnet er ein komplett desillusioniertes Bild der USA in den 1930er bis 1960er Jahren, dessen Personal seine stets zerstörten Lebensträume meist in Unmassen Alkohol ertränkt.

Selbstbetrugund Verachtung

Auch in „Revolutionary Road“ bleibt Yates seinem lebenslangen schriftstellerischen Thema treu: 1955 führen die Eheleute April und Frank Wheeler in einem New Yorker Vorort mit zwei Kindern genau das Spießerdasein, das sie in ihrer Jugend verächtlich belächelten. Beide werfen sich gegenseitig das Scheitern ihrer Träume von einem Leben in der Bohème vor und machen sich den Alltag zur Hölle. Die realitätsferne Idee eines Umzugs nach Paris schweißt das Paar kurzfristig wieder zusammen, bis eine erneute Schwangerschaft Aprils die Illusion vom europäischen Neuanfang endgültig zerstört und in die Katastrophe führt.
Regisseur Mendes hat sich bei der Verfilmung des Romans über weite Strecken eng an die literarische Vorlage gehalten. In meist kammerspielartigen Szenen versteht er es, den zerstörerischen Kleinkrieg der Wheelers, das selbstbetrügerische Trugbild von einer Zukunft fernab des vorstädtischen Kleinbürgertums und die unweigerlich folgende Ent-Täuschung ungemein eindringlich zu vermitteln. Bei jedem Aufeinandertreffen des Ehepaars krümmt der Zuschauer sich bereits in Erwartung der nächsten boshaften Auseinandersetzung im Sessel zusammen.
Während es allerdings in Yates’ 360 Seiten dickem Roman keinen Moment der Entspannung gibt, Betrug und Selbstbetrug der Eheleute in keinem Augenblick einer noch so angedeuteten Zugewandtheit weichen, scheint Sam Mendes dem „Titanic“-Charme seiner Protagonisten doch streckenweise zu erliegen. Bei allem Frust, aller gegenseitigen Verachtung und Demütigung, mit denen Winslet und DiCaprio sich in „Revolutionary Road“ begegnen, gibt es im Film doch den einen oder anderen vertrauten Moment, in dem das einmal vorhandene Gefühl der Eheleute füreinander spürbar wird. Für derartige Sentimentalitäten ist in der Romanvorlage kein Platz. Aber auch Sam Mendes verkneift sich in diesen Szenen stets die Entgleisung ins wirklich Romantische, die dieses ernüchternde Psychogramm zum Scheitern verurteilter Eheleute und ihrer gegenseitigen Zerfleischung abmildern würde.
Am Ende von „Revolutionary Road“ haben Leonardo DiCaprio und Kate Winslet jedenfalls endgültig mit ihrem Traumpaar-Image aufgeräumt. Endgültig? Als kürzlich die Golden Globes verliehen wurden und Kate Winslet die Auszeichnung für ihre Darstellung der April Wheeler erhielt, rief sie Leonardo DiCaprio in ihrer äußerst emotionalen Dankesrede zu: „I’ve been loving you all these years!“ Den Zuschauern schossen die Tränen in die Augen. Vielleicht gibt es irgendwann ja doch noch einmal ein romantisches Wiedersehen.

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