„Scheiß 0,5 Promille“

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Die Geschichte des Alkohols ist lang. Und hinlänglich bekannt sind die Schädigungen, die er dem menschlichen Körper antun kann. Trotzdem wird er getrunken, genossen, gesoffen, gekippt. Wo liegen die Grenzen zwischen Genuss, Missbrauch und Abhängigkeit? Wieso trinkt man ihn und wie kann man lernen, mit Alkohol umzugehen, ohne ihn zu verteufeln? Diesen Fragen geht das...

Dienstagmorgen im TNL: Busseweise werden Schüler herangefahren.
Die Stimmung ist anders als sonst bei Schulvorstellungen, wenn die Jugendlichen meistens gespannt wirken und sich freuen auf eine Stunde Unterhaltung. Heute aber gibt es Theater mit Bildungsauftrag, eine Auftragsarbeit des „Centre de prévention des toxicomanies“. Ob das was wird? Skepsis ist angesagt, nicht nur bei den Jugendlichen. Was kann einen da schon erwarten als etwas Moralapostelei und gute Ratschläge?
Aber ganz so ist es nicht, denn mit Nickel Bösenberg tritt der Teufel himself auf die Bühne, der als abgebrühter und schnell redender Entertainer jegliche Aufmerksamkeit bündelt.

Lehrmeister und Verführer in einem

Weder Freund noch Feind des Alkohols ist er, trotzdem Lehrmeister und Verführer in einem, einer, der sich einen Spaß daraus macht, Leute zum Saufen zu verführen und ihnen danach die Leviten zu lesen.
So überredet er gleich zu Beginn eine versammelte Familie zu einem züchtigen Gelage. „Ach, komm, nur einen, hey, du bist doch ein richtiger Kerl, oder?“ Mit solchen Sprüchen kann man fast jeden zum Trinken überreden, denn wer möchte schon gerne als halber Mann oder Weichei verschrien sein?
Dass aber ein paar Schlucke Alkohol fast immer die nächsten Schlucke nach sich ziehen, weiß nicht nur der Teufel. Es ist schwierig, Nein zu sagen, wenn man erst mal angefangen hat. Das merkt auch die Familie – Vater, Mutter, erwachsener Sohn (Annette Schlechter, Paul Dahm und Marc Baum) –, die eine Flasche nach der anderen entkorkt, um damit angeblich den guten Käse besser runterspülen zu können.
Währenddessen katapultiert sich die jugendliche Tochter des Hauses (Kimberley Jeitz) mit ein paar Bier oder Alkopops ins himmlische Delirium. Macht alles nichts, auch, dass der volltrunkene Sohn anschließend ins Auto steigt, ist eben so („Scheiß 0,5 Promille“) und nicht zu ändern.
Eins ist klar: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Und wenn die Eltern keinen Grund zum Trinken brauchen, warum sollten ihn dann die Kinder haben? Also fragt der Teufel ins jugendliche Publikum hinein.
Er will wissen, was falsch gelaufen ist und in welcher Situation man hätte anders handeln können. War nicht gleich zu Beginn seine Aufforderung an den Sohn, sich wie ein echter Kerl zu benehmen, mitverantwortlich für den späteren Autounfall?

Ein Dorffest ohne Schampus und Bier?

Das Publikum soll Stellung beziehen, während der Schauspieler Nickel Bösenberg die richtigen Fragen stellt und einzelne Szenen wiederholen lässt, mit vernünftigerer Lösung, versteht sich. Was hier gemacht werden soll, ist nicht die Verteufelung des Alkohols an sich. Vielmehr werden Anhaltspunkte dafür gegeben, wie man besser mit ihm umzugehen lernt.
Gefahren aufzählen kann zum Beispiel helfen. Was passiert mit mir und meinem Körper bei soundso viel Promille? Was mache ich, wenn mein Kumpel besoffen und unansprechbar auf dem Boden liegt und sich kaum noch rührt? Wieso trinke ich überhaupt Alkohol? Die Antworten können helfen, im Umgang mit Alkohol sicherer zu werden und auf seine innere Stimme zu hören, die oft versagt, wenn der Zwang zu Coolness und Gruppenzugehörigkeit überhand nimmt.
Denn eins wird oft vergessen, weil es niemand so gerne hören will: Alkohol ist die Volksdroge Nummer eins, weil er preiswert, legal und gesellschaftlich akzeptiert ist.
Und welches Dorffest kommt schon ohne Schampus- und Bierstand aus? Der Weg zum Missbrauch ist nicht weit und wie sagt der Teufel am Ende so schön: „Wenn ihr mich braucht, bin ich schon lang keine Hilfe mehr.“