Schaut mal! Darüber spricht man nicht!

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Marita Ruiter hat viel zu tun. Bilder aufhängen, Gäste empfangen, Hotelzimmer organisieren, zwischen dem Campus Limpertsberg, ihren Galerien im Stadtzentrum und den Ausstellungsräumen bei Deloitte hin und her pendeln, Streit schlichten, Wein einkaufen und vor allem Rede und Antwort stehen./ Janina Strötgen

Doch die Arbeit lohnt sich. Davon ist die Galeristin überzeugt. Bereits zum fünften Mal hat sie die „Photomeetings Luxembourg“ organisiert, die noch bis Samstagabend stattfinden. Ein Festival für Fotografie, das mit Workshops, Ausstellungen, Lesungen und Gesprächsrunden professionelle Fotografen, Studenten, Journalisten und Hobbyfotografen zusammenführt, damit sie sich über die Macht des Bildes austauschen können.
Viel Arbeit liegt bereits hinter Ruiter. Das von ihr entwickelte Konzept für die diesjährige Ausgabe steht und scheint aufzugehen. Thema der Photomeetings 2009 sind Tabus. „Tabus interessieren jeden, eben gerade weil sie tabu sind“, meinte Ruiter am Mittwochabend bei der Vernissage in der prall gefüllten Galerie Clairefontaine.
Dass viel los war, ist nicht verwunderlich. Denn durch die Zusammenarbeit mit acht Universitäten sind zum diesjährigen Festival auch etwa 50 Studenten aus fünf verschiedenen Ländern angereist, von denen sich viele gemeinsam mit anderen Gästen in und vor der Galerie Clairefontaine Espace 2 tummelten.
In dem zweistöckigen Ausstellungsraum sind Werke von renommierten Fotografen ausgestellt: Von dem Luxemburger Michel Medinger zum Beispiel, dessen Sschwarz-Weiß-Fotografien mit viel Humor den Zusammenhang zwischen dem Objekt, seiner Form und seiner Bedeutung hinterfragen. Oder auch von Abel Szalontai aus Budapest, dessen Bild, das im rumänischen Sulina entstanden ist, auf den ersten Blick nicht zu verstehen ist:
Zum Glück ist auch er unter den Anwesenden. Gerne lüftet der Künstler das Geheimnis um den zweischichtigen Betonklotz. „Das sind öffentliche Toiletten“, sagt er, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. Aha. Toiletten, die größer sind als die um sie herumstehenden Bäume? „Ja klar, so ist das in Rumänien“, fügt er ebenso selbstverständlich hinzu.
Nach breitem Grinsen folgt dann die Erklärung: Ursprünglich handelte es sich um einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der – ganz nach dem Prinzip der Nützlichkeit – heute nun zu öffentlichen Toiletten umfunktioniert wurde. Ach so, okay. Aber was hat das nun wiederum mit Tabus zu tun? „Weltkrieg, Toiletten, reicht das nicht?“, fragt er zurück, und macht damit klar, dass das Thema „Tabu“ aus verschiedenen Perspektiven behandelt werden kann.

Selbstverstümmelung, Sucht, Fetischismus

Und so zeigt auch ein Rundgang durch die Ausstellung Fotos aus den unterschiedlichsten Themenbereichen: Das Leben auf der Straße oder im Altersheim, Selbstverstümmelung, Drogensucht, sexueller Fetischismus …
Doch was ist denn da drüben los? Ein sichtlich stark erregter Mann mit Bauarbeiterweste und Fotoapparat steht wild fuchtelnd in der Mitte einer Traube Menschen und droht mit Gerichtsvollzieher. Erbost ist er, dass ein Wiener Student es gewagt hat, ein von ihm gemachtes Foto der Prinzessin Alexandra von Luxemburg einfach aus dem Internet herunterzuladen, es in einen vergoldeten und verschnörkelten Rahmen zu setzen und darunter zu schreiben: „D’Alexandra vu Lëtzebuerg verbraucht zevill Elektresch, well hatt ëmmer säin Numm googelt.“
Die Menschen um ihn herum können ihn nicht von der Freiheit der Kunst überzeugen. Raub sei das, Diebstahl! Schon mal was von Copyright gehört? Vielleicht auch ein Tabuthema, über das am Mittwochabend jedenfalls heftigst gestritten wurde. Nur Matthias Krinzinger bleibt ruhig. Der Student der Universität für angewandte Kunst Wien freut sich über die Polemik, die sein Werk bereits am ersten Ausstellungsabend ausgelöst hat.
Doch noch einer ist sauer: Peter Bialobrzeski. Ungerecht behandelt fühlt sich der Fotograf aus Bremen. Denn im Espace 1 der Galerie Clairefontaine, der ausschließlich seinen Werken gewidmet ist, herrscht gähnende Leere, während im Espace 2 die Post abgeht.
Und Marita Ruiter ist mitten drin in dem ganzen Getümmel. Sie begrüßt Gäste, knüpft neue Kontakte, gibt Interviews, sammelt Glasscherben von heruntergefallenen Weingläsern auf, kümmert sich um verletze Eitelkeiten und schafft es sogar, ihre Gäste zu überzeugen, ihr Glas zu nehmen und in die Galerie 1 hinüberzuschlendern, um sich die durchaus sehenswerten Werke von Bialobrzeski, die vor allem Lebensumstände in asiatischen Metropolen zeigen, anzusehen.
Am nächsten Morgen Punkt 9 Uhr ging es dann auf Limpertsberg direkt weiter. Beziehungsweise sollte es weiter gehen. Um neun waren nämlich von den rund 70 Teilnehmern, die sich zu den angebotenen Workshops angemeldet hatten, nicht mal eine Handvoll da. Der Abend vorher war wohl lang, ging er für viele der Gäste schließlich noch auf der „Schueberfouer“ weiter.
Und so begann die Begrüßung von Marita Ruiter gegen viertel vor zehn dann erst einmal mit einem Rüffel: „Zu spät kommen ist tabu!“ 

 Ausstellung in der Galerie Clairefontaine:
Bis zum 3. Oktober
Espace 1: Peter Bialobrzeski
7, place de Clairefontaine
Espace 2: Petra Arnold, Matteo Basilé, Roman Bezjak, Giacomo Costa, Michel Medinger, James Nachtwey, Michael Najjar, Roman Pfeffer, Marla Rutherford, Abel Szalontai,Andreas Weinand, Simon Welch
21, rue du St-Esprit

 Ausstellung in den Räumen von Deloitte:
Werke der teilnehmenden Studenten.
Bis zum 18. September
560, rue de Neudorf

www.photomeetings.lu
www.galerie-clairefontaine.lu