/ Religion hat das Morden beschleunigt
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat ein umfassendes Werk über den Dreißigjährigen Krieg geschrieben. Dabei untersucht er, wie die Religion dem Morden und der Kriegsökonomie diente – und stellt Vergleiche zum Terror von heute her.
Von unserem Korrespondenten Roland Mischke
Die Soldaten litten an der Syphilis, „vom Kommandeur bis zum Musketier“, heißt es. Auf Frauen in den Städten und Dörfern, die sie massenweise vergewaltigten, übertrugen sie die Geschlechtskrankheit. Die Verbreitung von Seuchen verwahrloste ganze Landstriche. Herfried Münkler sieht darin einen der vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes, festgehalten im Neuen Testament: die Pestilenz. Die anderen Reiter stehen für Tyrannei, Krieg und Hungersnot. In seiner monumentalen Darstellung des Dreißigjährigen Krieges geht der belesene und fleißig recherchierende Autor auf Unmengen von Details ein.
Der verheerende Krieg ging zwar von einem Ständeaufstand in Böhmen aus, doch weil viele Herrscher aufrüsteten, in den Niederlanden, Flandern, Schweden, Frankreich und bis nach Spanien, wurde die Sache grundsätzlich: Wer hat das Sagen im Heiligen Römischen Reich? Protestanten, europaweit im Aufschwung, oder Katholiken, die Tradition verteidigend?
Die deutschen Gebiete traf der Krieg besonders, hier walzten sich marodierende Heere durch, es kam zu Brandschatzungen, Folter, Massentötungen von Menschen und einem neuen Herrschertypus, dem Warlord, der für Geld und Raumgewinn kämpfen ließ. Als die finstersten Gestalten dieses Typs benennt Münkler den verschuldeten böhmischen Edelmann und Erfinder des stehenden Heers, Wallenstein, Schwedens König Gustav Adolf, der im sächsischen Lützen umkam, General Tilly mit dem katholischen Heer und den besonders ruchlosen Kriegsherrn Ernst von Mansfeld. Am Ende war die Bevölkerung um etwa 40 Prozent reduziert.
Autor erläutert Kriegswirtschaft
Die historischen Ereignisse, die zum Krieg führten, werden in diesem Buch lebendig geschildert, der Detailreichtum ist in der deutschen Geschichtsschreibung einmalig. Besonders aufklärerisch ist das Werk aber bei der Skizzierung der Kriegsökonomie, an der wenige Kriegsunternehmer verdienten, manche Untertanen sich nährten und viele alles verloren, zuletzt auch ihr Leben. Der 30 Jahre anhaltende Krieg brachte gewaltige Schlachten, entfaltete sich aber immer mehr zu kleinteiligen militärischen Auseinandersetzungen, die lukrativer waren. Denn der Ressourcenverbrauch an Menschen, Material und Geld war enorm, die Heere wurden von Marketenderinnen, arbeitenden Kindern und Trosshuren eskortiert. Zudem entfesselte das Geschehen Aufstände von Bauern und Landsknechten.
Die Auslöschung von Magdeburg steht für die Grausamkeit des Krieges. Katholische Truppen unter Tilly erstürmten in religiösem Eifer die Stadt, machten alles nieder, auch 20.000 Bewohner protestantischen Glaubens. Der Glaubensfuror war ein Mordbeschleuniger. Kosten-Nutzen-Rechnungen wurden nicht aufgemacht, es ging bedingungslos um Unterwerfung, Tötung und Vernichtung des Feindes. „In Gefahr und höchster Not / bringt der Mittelweg den Tod“, erkannte Dichter Friedrich von Logau, den Münkler zitiert.
Parallelen zur Gegenwart
Hier finden sich Parallelen zu Al-Kaida und dem Islamischen Staat. „Der Dreißigjährige Krieg führte erstmals zu Flüchtlingsströmen, die nicht mehr nur die Vertreibung von kleinen politischen Eliten waren“, so Münkler. Laut der UNO-Charta haben Staaten kein Recht zu Kriegserklärungen, sie gelten als völkerrechtswidrig. Dennoch gibt es weltweit militärische Kämpfe mit vielen zivilen Opfern, angezettelt von Nationalisten und den „Kriegs-AGs der Söldnerunternehmen bis hin zu verdeckten Geheimdienstoperationen“, stellt Münkler fest. „Der Schrecken ist nicht vorbei, er ändert nur sein Gesicht.“ Münklers umfangreiches Werk klärt über Ursprung und Wirkung von Kriegen auf.
Herfried Münkler: „Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe und deutsches Trauma 1618-1648.“ Rowohlt Berlin, 975 S., 39,95 €.
- Amiperas-Sektion Steinsel-Müllendorf-Heisdorf bleibt sehr aktiv - 29. März 2024.
- Zweiter Pride Run soll noch größer und farbenfroher werden: Anmeldungen bis zum 5. Juli - 28. März 2024.
- Vorsicht: Betrügerische SMS und E-Mails in Luxemburg im Umlauf - 28. März 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos