Paco de Lucia & Band in der Philharmonie: Fernweh ade

Paco de Lucia & Band in der Philharmonie: Fernweh ade

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Weder die Bezeichnung Konzert noch der Begriff Spektakel passt auf das Erlebnis, das Paco de Lucia am Montagabend mit seiner Band dem Publikum in der ausverkauften Philharmonie bot. Denn Flamenco ist Leben. Eine Kunst des Lebens.

Janina Strötgen


Paco de Lucia hat das Spielen auf der Flamenco-Gitarre gelernt wie viele junge Andalusier seiner Generation (geboren 1947). Sobald er eine Gitarre halten konnte, spielte er auch schon. Er imitierte seinen Vater, seine Onkel, seine Cousins. Im Wohnzimmer, bei Familienfesten, auf der Straße und in Kneipen. Flamenco ist eine Lebensart, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Eine Kunst des Volkes, die man weder nach Noten noch in der Schule lernen kann.

Sehr schnell wurde klar, dass Paco ein besonderes Talent besitzt. Aus Geldnot, aber auch, damit er zwölf Stunden am Tag üben kann, nahm sein Vater ihn mit neun Jahren von der Schule. Der musikalische Erfolg ließ nicht auf sich warten.

Mit 14 gewann er einen Spezialpreis auf dem Flamenco-Festival in Jerez de la Frontera, 1964 nahm er sein erstes Soloalbum auf und fünf Jahre später schließlich folgte der Ritterschlag aus der Szene: Camarón de la Isla, der berühmteste Flamenco-Sänger seiner Zeit, wählte Paco de Lucia als seinen Begleiter aus. Paco de Lucia hatte es geschafft, mit 22 Jahren hatte er alles erreicht.

Die Paco-de-Lucia-Revolution

Doch das genügte ihm nicht, und eigentlich ging es jetzt erst richtig los mit der Paco-Revolution: Denn er begnügte sich nicht damit, auf festgefahrenen Pfaden seine Lorbeeren einzuheimsen, vielmehr entwickelte er einen ihm ganz eigenen Flamencostil. Er inspirierte sich an anderen Musikgenres und vermischte traditionelle Flamenco-Einheiten wie den einleitenden Gesang (Salida) oder die solistischen Passagen der Flamenco-Gitarre (Falseta) mit Elementen aus dem Modern Jazz, der Klassik oder sogar der Popmusik.

Spätestens mit den Konzertausschnitten im Trio mit John McLaughlin und Al Di Meola, die unter dem Titel „Friday Night in San Francisco“ 1981 veröffentlicht wurden, wurde Paco de Lucia der Weltstar, der er heute ist. Er begeistert sein Publikum in den Kneipen von Sevilla und Granada ebenso wie in den Konzertsälen in New York, London oder … Luxemburg.

Die Philharmonie war ausverkauft. Am Montagabend lud Paco de Lucia mit seiner siebenköpfigen Band zu einem berauschenden Abend ein, der nicht nur Flamenco in Perfektion bot, sondern auch alle Wunden des Fernwehs zumindest für zwei Stunden linderte. Kurz nach acht trat er auf die Bühne, alleine. Nur mit seiner Gitarre setzte er sich vor die grünen Palmen, die zum andalusischen Flair beitragen sollten, jedoch etwas kitschig wirkten, vor allem, als sie dann auch noch von blauem Nebel eingehüllt wurden. Deshalb empfahl es sich – zumindest zu Anfang – die Augen zu schließen und sich wegtragen zu lassen von den markanten „rasgueados“ des Meisters der Flamenco-Gitarre.

Energie und Dynamik

Er variierte die Techniken, wechselte den Rhythmus und versprühte eine Energie und Dynamik, die den fulminanten Abend, der er werden sollte, gebührend einleiteten. Als dann nach und nach die sieben Bandmitglieder auf die Bühne traten, war der Applaus bereits tosend und die Stimmung in der Philharmonie aufgeheizt. Auch wenn Paco de Lucia ohne Zweifel der Frontmann der Band und das Vorbild aller seiner Musiker ist, hatte der mittlerweile 64-Jährige sichtlich Freude daran, sich aus dem Spiel auch immer wieder herauszuziehen, um jungen Musikern Platz für Solo-Einlagen und Improvisationen zu bieten.

Grandios war Antonio Serrano, der neben seinem Spiel am Keyboard auch immer wieder seine Mundharmonika zückte, ein Instrument, das Paco de Lucia selbst vor Jahren in den Flamenco einführte. Die Melodien der Mundharmonika überschlugen sich vor Feuer und Freude, die Serrano zu versprühen verstand. Beeindruckend, welche Tonvariationen er am Mikrofon klebend aus diesem kleinen Instrument herauskitzelte.

Ein weiterer Höhepunkt waren sicherlich die Perkussionselemente von Piranha, der sich nicht damit zufriedengab, auf gewöhnlichen Trommeln zu trommeln, sondern seine „cajón“ (spanisch für Schublade) mitbrachte. Er saß auf diesem merkwürdigen Instrument und spielte nicht nur für die anderen Musiker begleitende Rhythmen, sondern entlockte dieser Schublade Variationen, die dem Spielverlauf überraschende Wendungen gaben.

Gegen Ende war es dann Farruco, der mit seinen technisch perfekten und sehr extrovertierten Tanzeinlagen versuchte, allen die Schau zu stehlen. Das gelang ihm für Momente auch, als seine in den typischen Holzschuhen steckenden Füße auf den Boden trommelten und seine Beine in hautenger Hose nahezu vibrierten.

Doch der Meister bleibt Paco de Lucia, der mit seiner Revolution Geschichte schreiben wird und der sich bei seinem Publikum in der Philharmonie mit einer Zugabe gebührend verabschiedete. Ein Konzert aus dem Bauch heraus und dennoch perfekt aufeinander abgestimmt ging unter tosendem Applaus zu Ende.