Notes of exchange: „Girl gets lucky, shoots huge elk“

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Dan Kolber ist seit Ende August als Austauschschüler für zehn Monate von Gosseldingen nach Blackfoot, Idaho, gereist. Von dort schreibt er jeden zweiten Samstag im Tageblatt über seine Erlebnisse und Eindrücke. Heute berichtet er über die Weihnachtsstimmung in Blackfoot.

Es weihnachtet sehr, auch hier in Blackfoot, Idaho. Im weißen Schnee schimmern die, nun ja, ich will nicht sagen aufdringlich, mit Lichterketten geschmückten Häuser und Bäume tatsächlich noch weitaus farbenfroher, vielfältiger und träumerischer als hinter einem Vorhang aus dahindümpelndem „luxemburgischen“ Regen. Die wohlbekannten Phrase, es lege sich mit dem Schnee ein Zauber über die Welt, gilt denn auch begrenzt für Blackfoot.

Dieser Zauber zeichnet sich z.B. dadurch aus, dass morgens, bei minus 10 Grad Celsius und knöchelhohem Schnee, Schüler in kurzen Hosen auf den Bus warten und in der frostigen Winterluft nicht einmal zu frieren scheinen. Es war wohl in der Betrachtung dieser nackten Waden meines Vordermannes an der Bushaltestelle, dass mich das amerikanische Weihnachtsgefühl vollends überwältigte.

Es liegt ein Zauber in der Luft. Plastik Weihnachtsmänner stehen, liegen, fliegen, sitzen überall. Die ewig gleichen Weihnachtslieder dringen durch meterdicke Zementwände und geloben jedem schöne Weihnachten, besingen die Geburt Jesu und erinnern uns daran, dass Weihnachten die Zeit der Liebe ist. Liebe und beachte deinen Nächsten noch mehr als sonst! Die vom Christentum reklamierte Idee der Nächstenliebe global in einen Monat gepresst. So kann man jeden Tag ungefähr auf zehn verschiedenen Plätzen, hier in Blackfoot, mit aller Liebe spenden, ein paar Münzen in einen Topf werfen und sich dann „Guter Mensch“ auf die Stirn stempeln. Kurz darauf steigt man in seinen Pick-up, trinkt eifrig seine Cola, isst seinen Burger, und so weiter – die gravierenden Konsequenzen dieser alltäglichen Reflexe nicht einmal erahnend. Warum sollte man sein Leben ändern? Man kann ja spenden.

Weltweite Nächstenliebe, sich durch weihnachtliche 25 Tage ziehend, ohne dass man sich einer gewissen Hypokrisie überhaupt bewusst zu werden scheint – ist dies der wahre Zauber Weihnachtens?

Aber auch ich mag diese weihnachtliche Stimmung, die sich so schön der eisigen Kälte und dem Mangel an Tageslicht entgegenstellt, die sonst vielleicht eine deprimierende Wirkung entfalten könnten.

Liebenswürdiges Lächeln für jedermann

Weihnachten soll zwischenmenschliche Wärme verbreiten, um gegen die winterliche Kälte anzukämpfen. Und tatsächlich, wenn der eisige Winter vorüberzieht, es wärmer wird, gehen die Spenden in den Keller. Weihnachten ist vorüber, man hat der Liebe mehr oder weniger mit Spenden und einem liebenswürdigen Lächeln für jedermann gefrönt; jetzt kann man wieder genüsslich in vollkommene Gleichgültigkeit zurücksinken. Ein schönes Fest.
In meiner Schule wird natürlich auch gespendet. Alle Schüler werden versammelt, das Schulchor singt mehr oder weniger hörbar ein Weihnachtslied, ein kranker Junge wird vollkommen unvorbereitet und auf beschämende Weise von seiner Mutter vorgestellt, um die Schüler ja zum Spenden zu motivieren … Nun ja, jeder entließ den obligatorischen Seufzer, um sich dann den wichtigeren Argumenten für eine Spende zuzuwenden. Mit großem Tam-Tam wird verlautet, dass mehrere Verantwortliche der Schule sich ihre Haare abrasieren lassen und man 15 Minuten länger Mittagspause bekommt, falls genug gespendet wird. Jetzt bricht die Euphorie aus, jeder hat irgendwo einen Dollar, denn jeder will sich 15 Minuten länger Mittagspause ergattern. Irgendwie konnte man bei jedem ein wenig Mitleid in Form von einem 1-Dollar-Schein erhandeln. Wir bekamen übrigens unsere längere Mittagspause. Eine Frage der Ehre.

Aber ja, wie gesagt, ich mag Weihnachten auch, mag diese oberflächliche Wärme, die sich so leicht temporär ausstrahlen lässt, und ich denke, jeder wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass die Schlagzeile der Dienstagausgabe der Blackfooter Tageszeitung Morning News, in Anbetracht einer Klimakonferenz, die über die Zukunft der Erde entscheidet, weihnachtliche Bände spricht: „Girl gets lucky, shoots huge elk“.

Wir freuen uns in Blackfoot natürlich alle für das Mädchen.

Fröhliche Weihnachten.