Mittelalter-Schlacht wird im Theater zum zeitlosen Generationenkonflikt

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Die Schlacht bei Crécy brachte unter anderem den Untergang des klassischen Rittertums. Rafael David Kohn zeigt in seinem Stück die Auseinandersetzung zwischen zwei Generationen – Vater und Sohn – am Vorabend der Schlacht.

Am 26. August 1346 kam es bei Crécy in Nordfrankreich zu der ersten großen Schlacht zwischen Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg. Das zahlenmäßig überlegene Heer der Franzosen wurde von dem kleineren englischen Heer vernichtend geschlagen. Aus militärtechnischer Sicht war es die überalterte Strategie der Franzosen, die der modernen Kriegsführung der Engländer unterlag: gepanzerte französische Ritter gegen bewegliche englische und walisische Langbogenschützen. Anders ausgedrückt war es eine Schlacht zwischen Altem und Neuem.

Einer der bekanntesten Toten dieser Schlacht war Johann der Blinde, König von Böhmen, Graf von Luxemburg, Gründer der Schobermesse. Er gilt als Symbol der nicht mehr zeitgemäßen ritterlichen Ideale. Heute würde man sagen, er war ein Konservativer. Die neue Zeit wurde verkörpert von seinem Sohn Karl IV., der das Schlachtfeld schon vorher verließ. Ob er das tatsächlich nach einer langen Aussprache mit seinem Vater tat, ist unerheblich. Für den Autor Rafael David Kohn ist es jedenfalls der Vorwand, um zwei entgegengesetzte Weltanschauungen in Szene zu setzen.

Die untergehende Epoche der Ritter

Johann der Blinde verkörpert die untergehende Epoche der Ritter. Sei Sohn Karl IV. hatte die Zeichen der Zeit erkannt, er wusste, dass das französische Heer keine Chance hatte, und dass es sinnlos sei, Tausende von Menschen nur sterben zu lassen, weil Johann, ihr Anführer, es so wollte. Ob eine Aussprache, wie sie der Autor Rafael David Kohn in seinem Stück beschreibt, überhaupt stattgefunden hatte, darf bezweifelt werden. Aber er rechtfertigt sich selbst durch seinen Protagonisten Johann: „Mein Tod gehört den Schriftstellern.“ Egal was passiere, es werde eh viel darüber geschrieben, ob wahr oder unwahr.

„Die Nacht vor Crécy“ ist ein Stück, das dramaturgisch vor allem wegen seiner Kompaktheit gefällt. Es ist ein gradliniger, schnörkelloser Text, der sich ohne hochtrabendes Vokabular auf die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn konzentriert, ohne zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten zu verlieren. Zu keinem Moment gibt es Hänger, in denen die Achtsamkeit der Zuschauer verloren gehen könnte. Die Konzentration auf das Wesentliche – den Generationenkonflikt – ermöglicht ein Stück von knapp einer Stunde Länge.

Töten als Mittel zum Zweck

Der einzige Vorwurf, den man dem Autor machen könnte, ist, dass er seine beiden Protagonisten in sehr extremen Zügen zeichnet: Johann wird als blutrünstiges Monster, sein Sohn Karl als verweichlichtes Muttersöhnchen dargestellt.

Johann ist Pragmatiker, der tun muss, was notwendig ist, um an der Macht zu bleiben. Töten ist nur ein Mittel zum Zweck, er kennt keine Diplomatie, sondern nur physische Stärke. Karl sucht andere Wege als Krieg, um seine Ziele zu erreichen.

Die beiden Hauptdarsteller Marco Lorenzini (Johann) und Konstantin Rommelfangen (Karl) bewegen sich in ihrer Interpretation im Rahmen der vom Autor auferlegten Rolle. Rommelfangen gelingt die Darstellung eines weichen, fast naiven Herrschers, der sich nicht aus dem Schatten des Vaters lösen kann. Lorenzinis Spiel ist dagegen weniger nuanciert, wenn auch nicht weniger emotional. Den „Scheißkerl“ nimmt man ihm ohne Weiteres ab und insofern ist es auch eine Abrechnung mit einem luxemburgischen Nationalhelden.

Abrechnung mit einem Nationalhelden

In Nebenrollen sieht man Anna Fatholahzadeh als Geliebte Johanns. Dass sie, die zuerst auf Rache wegen ihrer getöteten Familie sinnt, dem „Charme“ Johanns erliegt, könnte man als leicht sexistisch auslegen. Sind die andere Figuren nach dem Schema „entweder oder“ konzipiert, ist Kohns Frauenbild wesentlich komplexer.

Ob das sexistische Frauenbild nun das von Johann ist oder das des Autors, muss der Zuschauer für sich entscheiden. Teile des Bühnenbilds (ein zeitgenössischer Drehsessel) und die Kostüme von Christoph Rasche verfrachten den Dialog aus dem Mittelalter in die heutige Zeit. Diese Requisiten zwingen die Zuschauer, das Geschehen aus heutiger Sicht zu interpretieren, was der Frauenfigur eine interessante Ambivalenz verleiht.

Doch auch ohne diese Regiekniffe wäre der Text noch aus heutiger Sicht interpretierbar, da der Kohn zeitlose Themen in Szene setzt: das Alte gegen das Neue, in diesem Falle der Konflikt zwischen Vater und Sohn.