Mit Humor in die Tiefe

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Véronique Fauconnet, künstlerische Leiterin des TOL, sprüht vor Energie. Nach zwei Minuten glaubt ihr jeder im Saal des kleinen Theaters in Bonneweg, dass sie und ihr Team vor allem Theater machen, weil es ihnen Spaß macht.

Janina Strötgen

Es sei nicht immer leicht, einen roten Faden zu finden, der sich durch das ganze Programm zieht, meinte Véronique Fauconnet auf der Pressekonferenz am Mittwochabend. Und um sich thematisch nicht eingrenzen zu müssen, hätten sie sich für ein universelles Thema entschieden, das sich künstlerisch sehr weit dehnen und aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus behandeln lässt: die Liebe.

„L’amour pour le meilleur et pour le pire. Celui qui nous fait vivre et celui qui nous détruit“, schreibt Fauconnet in ihrem Vorwort. Vier Eigenkreationen stehen auf dem Programm, und die Beschäftigung mit dem Thema Liebe könnte kaum unterschiedlicher sein.

„Doute“ von John Patrick Shanley

Zurzeit laufen die Proben für das Stück „Doute“ von John Patrick Shanley. Véronique Fauconnet inszeniert selbst und hat sich mit „Doute“ ein Stück herausgesucht, das das Thema der Pädophilie behandelt.
Eine der dunkelsten Seiten der Liebe. Wenn man hier überhaupt von Liebe sprechen kann. Sie hatte sich für das Stück entschieden, bevor all die Skandale von Kindesmissbrauch in Kirchen und Internaten Europas ans Licht kamen und durch die Presse gingen. Ihre Wahl ist unabsichtlich brisant und aktuell, auch wenn die Geschichte an einer katholischen Schule im Amerika der sechziger Jahre spielt.

Gereizt an dem Stück habe sie vor allem Shanleys Beschäftigung mit dem Zweifel. „Die Sachen sind nunmal niemals schwarz oder weiß“, sagt Fauconnet und zitiert Shanley: „Le doute demande plus de courage que la certitude, et plus d’énergie; parce que la certitude est un lieu de repos alors que le doute est infini – c’est un exercice passionné.“
Mit Caty Baccega, Marie-Anne Lorgé, Sabine Pakora und Jérôme Varanfrain in den Rollen verspricht das Stück nicht nur von der Thematik her spannend zu werden.

Schriftsteller sind keine Übermenschen

Für die zweite Eigenproduktion zeichnet die junge Regisseurin Nathalie Ronvaux verantwortlich. Sie wird „L’atelier d’écriture“ von David Lodge auf die Bühne bringen – eine Thematik, die zu Ronvaux perfekt passt, da sie selbst auch schreibt.
In diesem Jahr wurde sie für ihren Gedichtband „Vignes et Louves“ gar mit dem „Prix d’encouragement de la Fondation Servais“ ausgezeichnet. Lodges Stück fasziniere sie nicht nur, weil „die Welt des Theaters auf die Welt der Literatur prallt“, sondern vor allem weil Lodge auf eindrucksvolle und lustige Weise zeige, dass Schriftsteller keine Übermenschen seien – auch wenn sie oft als solche angesehen würden. Das Menschliche stehe bei der Begegnung von anerkannten Schriftstellern und Amateuren im Vordergrund.

Ebenso wie in der dritten Produktion der kommenden Saison. Marion Poppenborg inszeniert „Couple ouvert à deux battants“ von Dario Fo und seiner Frau Franca Rame. Es geht ums Älterwerden und um die Sehnsucht nach einem neuen Atem in einer in die Jahre gekommenen Beziehung.
Während der Mann sich auch mit grauen Haaren und Bierbäuchlein weiterhin für unwiderstehlich hält und seinen Frust durch Flirtereien und Eroberungen junger Frauen zu kompensieren versucht, leidet sie daran, gegen das „Frischfleisch auf dem Markt“ kämpfen zu müssen und quält sich mit Selbstmordgedanken. Ein, wie Poppenborg selbst sagt, grausames Stück, bei dem einem das Lachen nicht selten im Halse stecken bleiben wird.

„Plus le monde se mondialise“

Die vierte und letzte Kreation der kommenden Saison wird Fabienne Zimmer inszenieren. „Plus le monde se mondialise“ ist noch am Entstehen und soll eine Collage aus Texten und Liedern werden, die sich mit den dunklen Seiten der Globalisierung auseinandersetzen.
Bleibt das Menschliche auf der Strecke? „La réalité n’a pas d’importance, il n’y a que la perception qui compte.“ Von diesem äußerst interessanten Satz von Laurent Solly, Berater Nicolas Sarkozys, hat sich Fabienne Zimmer inspirieren lassen und sie wird das Publikum sicherlich mit pointierten Texten zum Lachen und zum Weinen bringen.

Lachen und weinen, Humor und Tiefgang, Witz und Ernst – das TOL hat sich bereits in den vergangenen Jahren durch diese „allzu menschliche“ Mischung ausgezeichnet. Auch die kommende Saison verspricht wieder locker und flockig daherzukommen, gleichzeitig aber mit Pfeilen in unser tiefstes Inneres zu schießen.

Gespannt darf dem 29. Oktober entgegengefiebert werden, wenn es dann heißt: Vorhang auf für „Doute“!