Maximilian Schell: Eine Gesprächscollage

Maximilian Schell: Eine Gesprächscollage

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Der große Schauspieler und Regisseur Maximilian Schell hat in seiner lebenslangen Karriere schon für so manche Überraschungen gesorgt. Und so wurde auch aus dem brav vorbereiteten Interview nichts. Stattdessen gab es eine Collage. Eine Gesprächscollage. Passend zum Stück.

Ja, Kaffee ist gut. Mit Milch, viel Milch. Und so setzen wir uns mit unseren Pappbechern in die Cafeteria des Grand Théâtre. Maximilian Schell mit seinem bunten Schal, seinen wachen Augen und seinem durchdringenden Blick.

Ein bisschen müde zwar, aber völlig entspannt. Und ich, etwas nervös, mit meinen gut recherchierten Fragen.
Doch er ist derjenige, der die Fragen stellt. Warum leben Sie denn in Luxemburg? Haben Sie einen Freund? Kennen Sie Jacob Alberts, meinen geistigen Vater? Wussten Sie, dass auch Strindberg ein wunderbarer Maler war? Sind Sie glücklich?

Ich verhasple mich, will eigentlich gar nicht antworten, schließlich läuft hier gerade etwas völlig falsch herum, tue es aber trotzdem. Schnell merke ich, dass ich mir ein durchstrukturiertes Interview mit druckreifen Antworten abschminken kann. Also lehne auch ich mich zurück und lasse das Gespräch laufen.

Und es läuft. Wir reden über Malerei. Schell sagt: „Es gibt keine Abstraktion in der Malerei.“ Diese Annahme sei ein kunstwissenschaftlicher Irrtum. Denn alles käme in der Natur vor, alles. Dann zieht er Gemälde und Fotografien von August Strindberg hervor. Zeigt sie mir und ist wie selbstverständlich bei dem Sinn des Lebens angekommen: Der Sinn des Lebens, sagt er, liege darin, zu versuchen, den Tod zu besiegen. Eigentlich wollten wir das doch alle. Und die Kunst sei der erste Schritt dazu. „Die Kunst stiehlt dem Tod eine Sekunde der Ewigkeit.“

Was für ein schöner Satz. Doch es gibt doch kaum eine Kunstform, die vergänglicher ist als das Theater. Er stimmt mir zu. „Gerade deswegen“, sagt er und lächelt verschmitzt. Und dennoch freut er sich nicht wirklich, dass er die kommenden drei Tage auf der Bühne sein wird.

Wie beim Skifahren

Es sei wie beim Skifahren. Man fange mit einer gewissen Freude an, doch sobald man Rennen fahren müsse, werde das Skifahren zu harter Arbeit. Mit dem Theater sei das genauso. Gelegentlich Gedichte zu rezitieren, sei wunderschön, besonders für eine schöne Frau, doch tagelang hintereinander auf der Bühne stehen zu müssen, sei hart. Das dämpfe die Freude ein bisschen.

Ben Willikens kommt in die Cafeteria. Der deutsche Maler hat das Bühnenbild für Schells Auftritt entworfen und ist ein guter Freund des Schauspielers. „Eine ständige Quelle von Einfluss und Inspiration.“ Die beiden umarmen sich, reden miteinander, Schell erzählt, dass es Willikens war, der ihn mit Frank Hoffmann bekannt gemacht hat.

Und dass die Idee für die szenische Collage über Strindberg in einem guten Gespräch zustande kam. „Wie immer bei solchen Projekten.“ So langsam habe ich auch eine leise Ahnung davon, wie diese szenische Collage denn nun aussehen wird. Ein Patchwork aus Tagebucheinträgen, Gesprächen, Gemälden, Musik und Gesang. Viele Puzzleteile, die zu einem Ganzen werden. Zu Strindberg. In der Person Maximilian Schells.

Willikens verabschiedet sich, er will zur Bühne, ihr den letzen Schliff geben. Schell lehnt sich zurück. Er wirkt müde, redet von seinem Haus in Österreich, in dem ihn niemand stört und er in Ruhe malen kann. Ihm fällt auch keine Rolle ein, die er noch unbedingt spielen möchte.

Selbst der „Misanthrope“ von Molière, den er immer spielen wollte, reizt ihn nicht mehr. „Ich bin selbst zu einem geworden.“ Die Bühne sei ein Ort für junge Leute, besonders für Kinder.
Schell wird nachdenklich, kehrt in die Vergangenheit, zu seinem eigenen ersten Bühnenauftritt zurück. Er kennt das Erlebnis nur aus Erzählungen seiner Mutter. Selbst erinnern kann er sich nicht mehr. Er war drei Jahre alt.

Er spielte einen Grashalm, der mit einem Veilchen tanzte. Alles wunderbar. Doch im letzten Moment änderte seine Mutter die Rolle seiner Partnerin. Aus dem Veilchen wurde eine Lilie. Das passte ihm gar nicht.

Er fand das Veilchen entzückend und wollte nicht mit einer Lilie tanzen. „Ich trete nicht auf. Ich streike.“ Doch dann sei er so genervt gewesen, dass er doch gespielt habe. „Ich trat an die Rampe der Bühne und schrie aus voller Kehle: ’Ich bin keine Blume, wisst ihr was, und doch eine Blume, ich bin Gras!’“ Donnernder Applaus! „Das war der größte Erfolg, den ich je hatte, den konnte ich nie mehr einholen.“

Solche Worte aus dem Mund eines Künstlers, der mehrere Golden Globes, Emmys, Bambis und sogar einen Oscar gewonnen hat und unumstritten zu den ganz Großen seiner Zunft zählt, wirken befremdend. Und doch glaubt man ihm. Schell meint es völlig ernst, wenn er sagt, dass der Erfolg, damals mit drei, der allergrößte gewesen war. 
Janina Strötgen