FR.A.RT 22Mara Bosseler, 1999, Roodt/Köln

FR.A.RT 22 / Mara Bosseler, 1999, Roodt/Köln
 Foto: Anouk Flesch

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Mara Bosseler (@marae.lise) wuchs in Roodt/Syr auf und studiert Sonderpädagogik in Köln. In ihrer Freizeit macht sie Keramik und kreiert Alltagsobjekte wie Becher, Schalen und Vasen mit weiblichen Brüsten oder Vulven. Mit Ton kam sie zum ersten Mal bei einem Uniseminar in Berührung, bei dem es um die Frage ging, wie man Kunst inklusiver gestalten kann. Auch neben dem Studium setzt sie sich für mehr Barrierefreiheit für Kinder mit Handicap ein. So arbeitet sie als Schulbegleitung für ein Kind mit Downsyndrom.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.

Mara Bosseler: Ich bin experimentierfreudig, aufgeschlossen und in meiner Gedankenwelt verloren.

Wann sind Sie am kreativsten?

Entweder gleich nach dem Aufstehen oder erst nachts.

Alle Ihre Objekte haben Vulven oder Brüste. Warum?

Für mich ist das Vulva-Motiv sehr meditativ. Ich lasse mich vom Material leiten. Da der Ton sich immer anders formt, sehen die Vulven immer anders aus, wie auch in Wirklichkeit. Zudem interessiert mich der vermeintliche Widerspruch zwischen dem tabuisierten Motiv der Vulven und den banalen Alltagsgegenständen, auf welchen sie sich befinden. Man kommt jeden Tag in Berührung damit, wenn man sein Müsli morgens aus solch einer Schüssel isst oder seine Schlüssel in eine meiner Schalen legt.

 Foto: Anouk Flesch

Wie fallen die Reaktionen auf Ihre Kunst aus?

Bisher habe ich fast nur positives Feedback bekommen, von Männern wie von Frauen. Allerdings nehmen hauptsächlich ältere Leute meine Töpferei regelmäßig nicht ernst und belächeln die Motive. Auch einigen Bekannten war meine Kunst erst unangenehm, aber mittlerweile haben sie weniger Berührungsängste mit dem Thema. Oft werde ich auch gefragt, warum ich denn keine Penisse oder Männer darstelle. Ich mache das, was mir gefällt, und denke nicht, dass das infrage gestellt werden soll.

Was wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit im Betrachtenden auslöst?

Ich will, dass es normal wird, eine Vulva zu sehen. Sehr viele Probleme stammen daher, dass wir Dinge tabuisieren oder verstecken. So wird auch der Frauenkörper erst sexualisiert. Ich hoffe, dass meine Werke dazu beitragen, ihn zu normalisieren. Generell stört mich der male gaze, also die dominante, heteronormative männliche Sicht in der Kunst. Manchmal frage ich mich, ob meine Kunst von manchen Betrachtenden sexualisiert wird.

Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Mit der italienischen Künstlerin Vanessa Beecroft, mit deren Werk ich mich auch auf der Uni beschäftige. Als Performancekünstlerin kreiert sie menschliche Inszenierungen und setzt sich mit den gesellschaftlichen Unterschieden zwischen nackten Frauen- und Männerkörpern auseinander.

Welchen Teil des Kunstschaffens macht Ihnen am meisten zu schaffen?

Am Anfang habe ich das Töpfern als pures Hobby gemacht. Mittlerweile bemerke ich, dass ich damit weitermachen will und es gut ankommt. Momentan verunsichert mich die Tatsache, dass es sehr viele Künstler*innen gibt, die etwas Ähnliches machen. Wie soll ich mich positionieren zwischen all denen, die das Gleiche wollen?

 Foto: Anouk Flesch

Wie sehen Sie die Zukunft der Kunstszene in Luxemburg?

Ich denke, sie entwickelt sich in eine interessante Richtung weiter. Unter jungen Menschen gibt es immer mehr wahres Interesse an der Kunst und ihrer gesellschaftlichen Rolle – es geht nicht nur mehr darum, schön zu malen. Schon jetzt gibt es Lagerkultur, die in ihrem Café-Club in Sandweiler und bei Events junge Kreative sehr dabei unterstützen, sich zu etablieren. Auch im Ausland, besonders in Berlin, gibt es viele junge luxemburgische Künstler*innen, die viel Neues nach Luxemburg bringen werden.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Mein Traum ist es, einen kleinen Hof zu haben, wo ich Workshops und Ferienwochen für Kinder mit und ohne Behinderung anbiete, basierend auf tiergestützter und Kunstpädagogik.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Liliana Francisco, die fotografiert und Collagen macht. Sie hat mich sehr inspiriert, als ich jünger war.

 Foto: Anouk Flesch

FR.A.RT

Frauen sind in der Kunstwelt nach wie vor unterrepräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, stellt die FR.A.RT-Porträtserie Künstlerinnen vor, die eine Verbindung zu Luxemburg haben. Jedes Porträt besteht aus einem Interview und Fotos. Das Projekt schließt diverse visuelle Kunstgenres sowie etablierte Künstlerinnen und Newcomerinnen ein.