Kostprobe des Könnens

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Die achte Ausgabe des Luxembourg City Film Festival hat offenbar die Erwartungen erfüllt. Die Besucherzahlen haben sich trotz schlechten Wetters und Grippe leicht verbessert. Den Wettbewerb gewonnen hat ein politischer Film aus Israel, was der Ausrichtung des Festivals entspricht. Und nicht zuletzt konnte das Filmland Luxemburg in der eigens dafür ausgerichteten Sparte erneut das ganze Ausmaß seines Könnens dokumentieren.

Einen Teil der luxemburgischen Premieren hat der Film-Fund-Direktor Guy Daleiden nicht mehr miterleben können, weil er schon auf dem Weg nach Los Angeles war, wo er bei der Oscar-Verleihung den in der Kategorie der Animationsfilme nominierten „The Breadwinner“ unterstützte. Bei Redaktionsschluss gab es noch keine diesbezüglichen Nachrichten.

„The Breadwinner“ aus den Studios von Melusine Productions und Studio 352 war der Eröffnungsfilm des diesjährigen Festivals. Er lief zwar außerhalb des offiziellen Wettbewerbes, konnte dennoch das Können der hiesigen Animationsfilmstudios dokumentieren. Der Film erzählt die Geschichte der elfjährigen Parvana, die im von den Taliban kontrollierten Afghanistan lebt. Als ihr Vater ungerechtfertigt verhaftet wird, schneidet sie sich die Haare ab und gibt sich als Junge aus, um ihrer Familie helfen zu können – denn für Mädchen ist es viel schwerer, sich Respekt in der afghanischen Gesellschaft zu erkämpfen. Die einfühlsame Vorgehensweise der Regisseurin Nora Twomey und der Drehbuchautorin Deborah Ellis, die vor Ort Zeugenaussagen eingesammelt hat, machen aus dem Film eine Art Dokumentation, die umso befremdender wirkt, als der Durchschnittszuschauer das bei einem sogenannten Zeichentrickfilm eigentlich nicht erwartet.

„Gutland“, der luxemburgische Film im offiziellen Wettbewerb (siehe unsere Besprechung im Tageblatt des 22. Februar), konnte zumindest das hiesige Publikum überzeugen. Regisseur Govinda Van Maele bekam für seine ganz eigene Darstellung der luxemburgischen Gesellschaft den Publikumspreis des Festivals.

Außerhalb des Wettbewerbs und fast schon über alle Kritik erhaben war „Bad Banks“, die Fernsehserie von Iris Productions. Sie wurde nach ihrer Vorstellung bei der Berlinale (siehe dazu unsere Kritik am 22. Februar in den Premium-Seiten) am Wochenende auf Arte und im ZDF gesendet. Die Einschaltquoten seien durchschnittlich, das Interesse im Netz jedoch groß gewesen, meldeten die Sender nach der Ausstrahlung. Für uns Luxemburger sind die hervorragenden Auftritte von Désirée Nosbusch, Marc Limpach, Steve Karier oder André Jung natürlich ein weiterer Grund, sich die Serie anzusehen.

Im offiziellen Wettbewerb war eine weitere luxemburgische Koproduktion: „Mary Shelley“ von der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al-Mansour mit Elle Fanning in der Hauptrolle erzählt die Geschichte der Schriftstellerin Mary Shelley, die als Autorin von „Frankenstein“ in die Literaturgeschichte eingegangen ist.

Innenaufnahmen in Kehlen

Wir erfahren in dem Biopic, dass sie das Buch als knapp 20-Jährige geschrieben hat, es jedoch 1816 anonym herausbrachte, weil niemand einem so jungen und darüber hinaus weiblichen Autor diesen Romanstoff überhaupt zugetraut hätte. Weil ihr Ehemann, der Poet Percy Shelley, das Vorwort dazu geschrieben hatte, wurde er als Vater der Figur vermutet. Die Innenaufnahmen für den Film wurden in Kehlen gemacht, der Film ist eine Koproduktion von Juliette Films.

Zwei Dokumentarfilme wurden in der Sparte „Made in/with Luxembourg“ gezeigt: Das ist die Geschichte des Gefangenenlagers Ashcan, in dem gleich nach dem Zweiten Weltkrieg die Nazi-Bonzen gefangen gehalten und von US-Soldaten verhört wurden (siehe dazu unser Interview mit Regisseur Willy Perelsztejn vom 2. März) und das sich in Mondorf befand, wo die Kriegsverbrecher drei Monate lang im Hotel Palace untergebracht waren. Der gleichnamige Film kommt erst im Herbst in die Kinos, verspricht sich jedoch vor allem als Auf- und Erklärungsunterlage in den Schulen oder Gedenkstätten eine Zukunft.

Ein emotionaler Moment war die Vorstellung von „Schwaarze Mann – un Noir parmi nous“. Der Film von Fränz Hausemer erzählt die Geschichte von Jacques Leurs, dem ersten schwarzen Menschen mit Luxemburger Pass. 1910 war der Sohn eines Luxemburger Kolonialbeamten und einer Kongolesin mit knapp zwei Jahren zu seinen Großeltern ins Pfaffenthal gekommen. Er wuchs in unserem Land auf, sprach unsere Sprache und unterschied sich so eigentlich nicht von seinen Mitbürgern – außer durch seine Hautfarbe, unter der er sehr gelitten hat.

Der Film entstand, als Hausemer Jacques Leurs Witwe Léonie kennenlernte. Dem Musiker, Schauspieler und Kinoliebhaber gelang hier mit der Unterstützung von Samsa ein sehr intimes Porträt. Die Erzählungen von Léonie Leurs ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch die Bilder und Fotos, die mit modernen Animationstechniken zum Leben erweckt werden. Der junge Filmemacher hat seine erzieherische Tätigkeit geschickt genutzt, um eine einfühlsame aufklärerische Arbeit zu machen. Genau wie „Ashcan“ deckt „Schwaarze Mann“ einen Teil unserer Geschichte auf, der bis dahin nicht „um Programm“ und in unseren Köpfen war.

Der letzte Film aus der luxemburgischen Serie ist „Meng Kollegen aus dem All“, ein Zeichentrickfilm von Christoph und Wolfgang Lauenstein für Kinder ab sieben Jahren. Er erzählt die Geschichte von Luis und dessen Verbindung zu drei Außerirdischen, die eines Tages vor seiner Haustür bruchlanden. Die luxemburgisch-deutsch-dänische Koproduktion steht für den großen Erfolg der „Jeune public“-Sparte des Festivals, in deren Rahmen jedes Jahr mehr als 5.000 Kinder und Jugendliche in die Welt der bewegten Bilder eingeführt werden. Viele von ihnen kommen über diese Initiative in Berührung mit der Großleinwand und entdecken dabei eine neue Welt.