Losgelöst von Raum und Zeit

Losgelöst von Raum und Zeit
(Tageblatt/Didier Sylvestre)

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Jonah Bokaer, Jahrgang 1981, ist ein New Yorker Tänzer und Choreograf. Mit seinem Stück "Occupant" wird er am Freitagabend das Monodrama-Festival eröffnen.

Tageblatt: In Ihrer Biografie steht, Sie seien Autor von 30 Choreografien, zehn Videos, drei interaktiven Installationen, zwei Applikationen für Handys und einem Film. Und da steht, Sie seien gerade einmal 31 Jahre alt. Ist das alles wahr?

Occupant von Jonah Bokaer
mit Tal Adler-Arieli

• Freitagabend um 20 Uhr
in der Banannefabrik
12, rue du Puits
L-2355 Bonneweg

• Tickets:
www.luxembourg-ticket.lu
E-Mail: ticketlu@pt.lu
Tel.: (+352) 47 08 95-1

• Infos:
www.fundamental.lu

Jonah Bokaer: „Ja, das stimmt. Mittlerweile sind es sogar 32 Choreografien. Wir sind sehr produktiv in New York. ‚Chez Bushwick‘, ein Künstlerkollektiv in Brooklyn, das ich 2002 mitgegründet habe, hat mittlerweile vierzig Mitglieder. Wir arbeiten sehr interdisziplinär, bildende Kunst und Tanz gehören für mich zusammen.“

Für „Occupant“ steht ein einziger Tänzer auf der Bühne: Tal Adler-Arieli. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Tal Adler-Arieli: „Ich war gerade mit der Uni fertig und bin in New York zu einem Casting für einen Tanzfilm gegangen, für den Jonah die Choreografie machte. Von den Filmproduzenten habe ich nie wieder etwas gehört. Aber zwei Monate später hat mir Jonah eine Mail geschrieben, dass er gerne mit mir arbeiten würde. Und das tun wir nun seit fast zwei Jahren. Doch zu ‚Occupant‘ gehört auf jeden Fall auch Daniel Arsham, der leider nicht hier sein kann.“

J.B.: „Daniel ist einer meiner engsten Mitarbeiter. Die Installationen für meine Stücke sind oft von ihm. Er transformiert Orte und spielt mit Raum und Zeit. Ich liebe seine Arbeit. Für ‚Occupant‘ hat er nun aus Gips viele verschiedene alte Kameras, Fotoapparate, 16-Millimeter-Filme etc. entworfen, die auf der Bühne liegen. Sie sind kaputt, befinden sich in einer Art Nachleben. Ihre Zeit ist um, aber sie sind dennoch da. Dadurch, dass die Gegenstände alle kaputt sind, weisen sie ja auch darauf hin, dass hier eventuell ein Kampf oder eine Demonstration stattgefunden hat. Die Bühne ähnelt einem Schlachtfeld.“

Der Name „Occupant“ erinnert zwangsläufig an das Occupy Mouvement. Tal, Sie sind ja der „Occupant“, was besetzen Sie?

T.A.A.: „Über die politische Dimension habe ich mir ehrlich gesagt nicht so viele Gedanken gemacht. Ich besetze eher einen Raum und vielleicht auch ein bisschen die Zeit beziehungsweise die Zeitlosigkeit. Außerdem besetze ich meinen Körper, der ja gleichzeitig Subjekt und Objekt sein kann und ich bin in einem Wechselspiel mit dem Publikum, das sich bei diesem Stück auf der Bühne befinden wird, ich werde eher die Zuschauerplätze bespielen. Ich denke, ich bin der ‚Occupant‘ des Raumes.“

J.B.: „Doch natürlich ist das Echo der Occupy-Bewegungen in dem Stück noch präsent. Die Art der Demonstranten, wie sie öffentlich Raum besetzt haben, hat auch unseren Blick auf den Raum verändert. Und als ich mit den Recherchen anfing – das war im Herbst des vergangenen Jahres im Mudam im Rahmen des Performance-Festivals ‚Il faut brûler pour briller‘ –, waren die Ereignisse in New York auch noch sehr frisch. Doch glaube ich nicht, dass Tanz das richtige Ausdrucksmittel ist, um politische oder wirtschaftliche Themen zu kommentieren. Meine Kunst soll abstrakter sein, dem Zuschauer überlassen, was er darin alles sehen und lesen möchte.“