Literaturpreis für Lambert Schlechter

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Am Mittwochabend (08.10.14) wird im Merscher Literaturzentrum der nationale Literaturpreis "Batty Weber" offiziell an Lambert Schlechter verliehen. Das Tageblatt besuchte ihn zu Hause.

Wenn das lateinische Sprichwort „Nomen est omen“ (Der Name ist ein Zeichen) der Wahrheit entspricht, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis Lambert Schlechter den nationalen Literaturpreis „Batty Weber“ erhalten sollte: 30 Jahre lange lebte der „Stackstater“ auf dem Limpertsberg in der Batty-Weber-Straße.

Wer heute zu ihm will, muss für Luxemburger Verhältnisse lange Wege auf sich nehmen. Oberhalb von Wiltz, nach Eschweiler, hat sich Schlechter, am 4. Dezember 1941 in Luxemburg geboren, nach seiner Pensionierung als „Prof“ im Echternacher Lyzeum zurückgezogen.

Ali Babas Räuberhöhle

Das Haus als Bibliothek zu bezeichnen, würde dem Charakter des Gemäuers nicht gerecht werden: Bücher stapeln sich in Regalen bis unter die Decke und liegen haufenweise auf dem Fußboden: Das Gemäuer aus dem 17. Jahrhundert mit den niedrigen Decken hat etwas von Ali Babas Räuberhöhle, mit dem Unterschied, dass diese Schätze aus Papier sind. Jedes der Zimmer inklusive des Speichers sind mit Büchern vollgestopft, und das ist beileibe keine billige Redensart. Eigenen Angaben zufolge besitzt Schlechter um die 30.000 Bücher. In jedem Zimmer des Hauses befindet sich eine Leseecke: Es gibt da das chinesische Zimmer mit seinen Büchern von chinesischer Poesie und Philosophie und japanischen Autoren; das kleine italienische Zimmer, mit den Werken von Dante und Pavese. Und auf der Treppe zum Dachboden jede Menge erotische Literatur.

Über die Bücher, die gestapelt oder verstreut auf dem Boden liegen, huscht von Zeit zu Zeit die Hauskatze. Unweigerlich kommt einem das Gedicht „Le chat“ von Apollinaire in den Sinn: „Je souhaite dans ma maison: Une femme ayant sa raison, Un chat passant parmi les livres, Des amis en toute saison, Sans lesquels je ne peux pas vivre.“

Schlechter bittet uns, an einem kleinen Schreibtisch in der „Stube“ Platz zu nehmen, die sich von den anderen Zimmern aber lediglich durch seine Größe unterscheidet. Inmitten der Bücher steht ein Schreibtisch – Größe: etwa ein Meter mal einen halben. Hier beginnt er jeden Morgen sehr früh seinen Schriftstellertag, wenn er nicht gerade auf Einladung bei einer Tagung im Ausland ist. Nach der ersten Zigarette und dem ersten Kaffee fängt er zuerst damit an, seine Träume zu notieren. „Das muss ich sofort tun, bevor sie sich verflüchtigen.“ Danach beginnt er, in einem Moleskine-Tagebuch den Vortag in Stichworten festzuhalten. In einem dritten Heft hält er seine Lektüren des Vortages fest.

„Permanentes Lesen“

Ob er alle seine Bücher schon gelesen habe? „Nein, schmunzelt er, ich bin noch dabei.“ Aber es gibt Bücher, die er mehrmals liest. Sein absoluter Favorit ist „Vie secrète“ des französischen Autors Pascal Quignard. „Ich habe das Buch 1998 gekauft, und lese seitdem immer wieder drin. Sehen Sie, voller Notizen. Es ist ein permanentes Lesen.“ Einen festen Tagesablauf, was das Lesen und Schreiben betrifft, gebe es nicht: Das sei ein dauerndes Hin und Her.

„Ich lese nichts, wo ich mir sage, das muss ich jetzt zu Ende lesen, sondern ich lese 40-50 Bücher parallel.“ Im Moment mache er Studien über Schutzengel, dabei zeigt er uns eine Abhandlung über das Thema aus dem 17. Jahrhundert. „Als guter Atheist muss man natürlich viele theologische Sachen lesen.“

„Lambert ist ein richtiger Leser, und dann erst ein Schriftsteller“, sagt sein Freund, der französische Schriftsteller und Herausgeber Claude Chambard, über ihn. „Er ist dauernd am Studieren. Es gibt bei ihm einen permanenten Austausch zwischen seiner Lektüre, seinem eigenen Schreiben und dem, wie sich das alles zu einem beachtlichen Werk mischt, sowohl in der Prosa wie auch in der Lyrik. Lambert ist für mich einer der größten zeitgenössischen Prosaisten.“ Chambard wird am Mittwochabend (08.10.14) bei der Verleihung des Preises die Laudatio halten.

„Ein Dauerschreiben im Durcheinander des Lebens“

27 Werke hat Schlechter bisher veröffentlicht. Sein vorerst letztes heißt „Nichts kapiert, doch alles notiert“. Es sind Lyrik- und Prosatexte aus den Jahren 1968-2014. Hinzu kommen zahlreiche Beiträge in Anthologien und Literaturmagazinen. Einige seiner Werke wurden auf Italienisch, Bulgarisch und gar auf Armenisch übersetzt. Daneben arbeitet er an seinem Dauerprojekt „Les murmures du monde“, fragmentarische Notizen über Literatur, Tod, Sex, Kunst usw. Sein Schreiben bezeichnet er selbst als ein Dauerschreiben im Durcheinander des Lebens. Es sei ein Mittel, das Leben einzuordnen. „Unser Leben ist ein Durcheinander. Immer funkt etwas dazwischen: Liebe, Tod, Trauer. Meine Art und Weise, zu schreiben, spiegelt das wider.“

Am Mittwochabend (08.10.14) wird Lambert Schlechter mit dem nationalen Literaturpreis „Batty Weber“ für sein Gesamtwerk ausgezeichnet. Was er dabei gefühlt habe, als er von dem Preis erfuhr? „Freude. Ich bin kein Sartre, der den Nobelpreis ablehnt. Ich nehme den Preis gerne an. Es ist eine Freude, eine Anerkennung zu erhalten, weil Schreiben ist eine einsame Arbeit.“