Laut und leise zugleich

Laut und leise zugleich

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Drei Tage lang gab sie ihren Platz in den hinteren Regalreihen der Buchläden auf und stellte sich ganz nach vorn, vors Mikrofon: Die zeitgenössische Poesie.

Bereist zum sechsten Mal fand in diesem Jahr der „Printemps des Poètes Luxembourg“ statt. Und bereits zum sechsten Mal waren es wieder vor allem die Internationalität und die Vielsprachigkeit, die aus dem Wochenende ein Erlebnis werden ließen. Ob nun auf Polnisch, auf Katalanisch oder auf Holländisch, „Poesie ist Musik“, wie Bruno Théret, Präsident des „Printemps des Poètes Luxembourg“, in seiner Begrüßung betonte. Und deshalb universell verständlich. Zumindest auf emotionaler Ebene, auf intellektueller halfen die Übersetzungen …

Info
www.prinpolux.lu

Jean Portante, der den „Printemps des Poètes Luxembourg“ 2008 ins Leben rief, gab in diesem Jahr seinen Posten als künstlerischer Leiter an seinen Kollegen Nico Helminger ab. Das erlaubte Jean Portante, hinters Mikrofon zu treten, um seine eigenen Gedichte vorzutragen. Die einleitenden Worte zu den auftretenden Dichtern übernahm Nico Helminger.

„La grande nuit de la poésie“

Er stellte zum Beispiel Antoine Wauters vor, den jungen Belgier mit seiner „geule d’ange“, wie eine Journalistenkollegin schrieb. Und in der Tat, der junge Dichter war so etwas wie der „beau gosse“ der diesjährigen Auflage, sein braunes Jacket passte beinahe beängstigend perfekt zu seinem dunkelroten Buch, aus dem er am Samstagabend bei der „Grande nuit de la poésie“ in der Abtei Neumünster seine sich zwischen Poesie und Prosa befindenden Werke vortrug. Danach war es an dem polnischen Schriftsteller Jacek Podsiadlo, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Dies gelang dem sich selbst als Pazifist und Rebell bezeichnenden Dichter mit seinen „Gedichten gegen den Staat“ auch.

Stan Lafleur aus Deutschland sorgte mit seinen Rhein-Gedichten für die ersten Lacher im Publikum. Der Spoken-Word-Performer überraschte mit unerwarteten Kombinationen, Alliterationen wie flutschende Floskeln oder auch Wiedergeburtswünschen. Schmunzeln musste das Publikum auch bei Raphael Urweider, der mit seinem Gedicht „Kurzer Sommer“ sicherlich das kürzeste Gedicht, das jemals über den Sommer geschrieben wurde, vortrug:

„Der Schnee ist weg, bald ist es Herbst“

Der zu den bekanntesten und kontroversesten Dichtern Österreichs zählende Franzobel musste leider kurzfristig aus Krankheitsgründen absagen. Stattdessen war es Sabine Staffelmayr von der österreichischen Botschaft, die mit schön wienerischem Akzent die Gedichte ihres Landesgenossen vorlas. Die holländische Dichterin Ester Naomi Perquin aus Rotterdam hat einige Jahre als Gefängniswärterin gearbeitet, um sich ihr Studium zu finanzieren. Ihre Gedichte sprechen von diesen Erfahrungen, sind subtile Anklageschriften. Der bekannteste Dichter unter den Gästen war in diesem Jahr sicherlich der 1935 geborene Lionel Rey. Der Preisträger des „Goncourt de la poésie“ (1995) und Präsident der „Académie Mallarmé“ gehört ohne Zweifel zu den großen Stimmen der zeitgenössischen Poesie. Umso größer war dann die Freude im Publikum, als der Dichter am gestrigen Morgen in der Galerie Simoncini einige noch nicht veröffentlichte Gedichte vortrug.

Als dann gegen 13 Uhr das letzte Wort gesprochen wurde, strömten sie aus, die Dichter und ihre Zuhörer, um den nun endgültig auch in Luxemburg angekommenen Frühling auf den Terrassen der Hauptstadt zu genießen. Vielleicht ist es ja der Poesie zu verdanken, dass die Sonne es letztendlich doch noch geschafft hat, die Wolken hinwegzublasen.