KunsteckeKunstmarkt im Trubel des Zeitgeschehens

Kunstecke / Kunstmarkt im Trubel des Zeitgeschehens
Das Banner „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wird auf der Documenta entfernt Foto: dpa/AFP/Uwe Zucchi

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Die Welt steht kopf. Haben wir uns in den letzten Jahren in einer Art Friedenstaumel bewegt, so ist das heute nur noch Wunschdenken. Wohl niemand glaubte bis vor ein paar Monaten an ein echtes Aufflammen eines neuen Kriegsherdes in Europa. Die Corona-Pandemie hat unser Sicherheitsgefühl vor Seuchen und weltumgreifenden Ansteckungskrankheiten ordentlich erschüttert. Die Bewegung eines neuen Gender-Bewusstseins einerseits und ultrakonservative Wertevorstellungen andrerseits sowie die Praxis der „Fake News“ als politisches Markenzeichen und andere aufkeimende, teils gegensätzliche Phänomene haben selbst die so gepriesene Demokratie als Gesellschaftsmodell in Frage gestellt. Die Kunst als kritischer Begleiter steht da nicht abseits, auch wenn sie ihre Eigenheiten hat.

Die zur Tradition gewordene Documenta hat nicht nur die hessische Stadt Kassel in den Vordergrund des Kunstgeschehens gerückt, sie hat von Beginn an stets für Aufregungen gesorgt. Waren die ersten Ausgaben der documenta als Weltkunstausstellung vorwiegend von der Übermacht amerikanischer Nachkriegskunst in all ihren Erscheinungen geprägt, so haben sich die Akzente im Laufe der Zeit verschoben. Performances, seltsame Theorienmakler und nachhaltige Installationen der besonderen Art, etwa Baumpflanzungen à la Beuys, sorgten für Aufmerksamkeit, ehe man versucht hat, das doch eher klassische Kunstverständnis zu erweitern, neue Anschauungen zuzulassen und anderen Kontinenten als Amerika und Europa die Türen zu öffnen. Die Berufung eines Kuratoren-Kollektivs aus Indonesien sollte 2022 zusätzlich für frischen Wind sorgen, doch bereits im Vorfeld sorgte eine „Antisemitismus“-Debatte für Verwirrung und Abwertung der an sich bestimmt lobenswerten geplanten Neuerungen in Zusammensetzung, Organisation und Darstellungsformaten und sozialen Hilfsaktionen der Jubiläumsedition „Documenta fifteen“.

Positive sowie zweifelhafte Akzente

Langjährige Beobachter haben die Unterschiede im Detail ausgelotet, ob fremdartige Bezeichnungen (wir haben berichtet), Wahl der eingeladenen Künstler, fehlende Galerien oder „antisemitisches Bildvokabular“, wie es die FAZ formuliert. Handelt es sich bei all dem um einen „anderen tiefgründigen Blick“ auf die Kunst oder um eine überflüssige Provokation „abseits des Wertesystems“. Es scheint, als es sei der „antisemitische“ Ausrutscher eher ein hässliches Eigentor als ein zentrales Moment, wenn es darum geht, die zeitgenössische Kunst im Kontext des Weltgeschehens neu zu definieren. Ob ein unzulässiges Bild jetzt abgehängt wird oder nicht, tut fast nichts mehr zur Sache, der Makel bleibt. „Documenta fifteen“ geht in die Kunstgeschichte als eine der „umstrittensten“ Ausgaben (um nicht mehr zu sagen) ein, auch wenn bestimmte gut gemeinte Initiativen in Richtung einer sozial gerechteren Welt ausgelegt sind. In Zeiten eines Krieges, in dem Menschen brutal getötet werden, Völkerrecht verletzt und Menschenrechte auf grausame Weise missachtet werden, steht auch die Kunst nicht nur vor „spannenden“ Herausforderungen. Sie muss klar Position beziehen!

Documenta hin, Documenta her, die internationale Kunstwelt hat soeben auch ART Basel und andere Kunstmessen bewältigt. Die Stimmung war, dem Vernehmen nach, vielleicht nicht so euphorisch als vor der Pandemie, doch Kunstfreunde und Kunstsammler haben nach wie vor ihre Freude an guter und nachhaltiger Kunst. Dieser Tage haben darüber hinaus diverse Auktionen den Puls am Kunstmarkt gefühlt. Fazit: Mit Kanonendonner im Hintergrund hat sich die Euphorie etwas gelegt, auch haben die aufgrund der Invasion der Ukraine verfügten Einschränkungen im Finanzbereich und Boykott-Verfügungen im Warenverkehr wohl einige Teilnehmer am globalen Kunstmarkt zu einer gewissen Zurückhaltung gebracht, sodass selbst im Kunst-Spiel vielleicht weniger Geld verfügbar war.

Stahlskulptur für medizinische Versorgung in der Ukraine

Große Meister brachten, Frontberichten von den Auktionen zufolge, etwa bei Christie’s oder Sotheby’s in London weniger als erwartet ein, derweil der „gehypte Nachwuchs“ (FAZ) eher gut abschneiden konnte. Eine ähnliche Feststellung gilt für „Schweizer Künstler“ bei der Versteigerung in Bern. Wer sich die bezahlten Summen für Bilder von Jean Monet, Yves Klein, Francis Bacon oder Simone Leigh ansieht, kann getrost sagen, es gibt sie dennoch, die „motivierten“ Sammler und Investoren, die bereit sind, fast „verrückte“ Summen für ein Kunstwerk zu bezahlen. Selbst der aktuell in der Fondation Beyeler in Basel/Riehen ausgestellte deutsche Maler Gerhard Richter erzielte für eine „Wolkenstudie“ ganze 9,5 Millionen Pfund in London. Der Ukraine-Krieg hat den Auktionsmarkt gar direkt eingeholt. Bei Christie’s hat ein ukrainischer Stahlunternehmer und Sammler eine Jeff-Koons-Stahlskulptur für einen guten Zweck, nämlich die medizinische Betreuung von verletzten Bürgern und Soldaten, zum Verkauf angeboten. Ein dänischer Sammler erstand sie für 8,6 Millionen Pfund.

Oase Luxemburg

Dass Luxemburg nur beschränkt an diesem internationalen Kunstmarkt beteiligt ist, wurde nicht zuletzt auf den „Assisen“ der bildenden Kunst letzte Woche im Mudam deutlich gemacht, dies, obwohl einige Galerien die Zeichen der Zeit erkannt haben und verstärkt auf Messen aktiv geworden sind. Die Artweek im November ist da nur ein winziges Mosaikstück im weiten internationalen Kunstfeld. Vielleicht sollte man neben der festen Absicht, auch für heimische Künstler eine an ihre Schaffenskraft und den von ihnen erarbeiteten Mehrwert angepasste Honorierung in Zukunft zu sorgen, auch auf staatlicher Ebene mehr in der Breite für internationale Präsenz heimischer Künstler tun, als nur Venedig, Arles und einige Residenzen im Ausland zu bedienen.