Künstler aller Länder, vereinigt euch!

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Teilnehmer(innen) für spannendes Residenz-Projekt gesucht

Im Laufe der letzten zehn Jahre schossen sie wie Pilze aus dem Boden: Kleine ehrenamtlich organisierte Festivals prägen das luxemburgische Landschaftsbild mit und sind nicht mehr wegzudenken. Die Ideen und Träume der Organisatoren sind auf fruchtbaren Boden gestoßen und nun wächst zusammen, was zusammengehört: nämlich Kunst, Musik, Wissenschaft und politisches Bewusstsein. So auch beim „Kolla“-Festival, das alljährlich im August in Steinfort stattfindet.

Der Name des Festivals ebnet bereits den Weg, für alle jene, die es besuchen wollen. Hier steht kollaboratives Werkeln, Erschaffen und Genießen an erster Stelle. Statt dass jeder in seiner Ecke vor sich hinlebt, sollen gemeinsam die zahlreichen Facetten der Kultur reflektiert und greifbar gemacht werden. Das „Kolla“-Festival galt eine Weile lang als Nesthäkchen unter den alternativen Festivals im Großherzogtum, jedoch hat das Team seit dem Start vor sechs Jahren dazugelernt und sich weiterentwickelt. Gleiches gilt für die „Antropical“-Crew.

„Ich glaube, dass wir von Anfang an eine feste Vorstellung davon hatten, wo wir hinwollen. Mit jedem Jahr dringen wir ein Stück weiter zu diesem Ideal vor“, schildert Clio Van Aerde die Situation, ohne jedoch verklärt und verträumt dreinzuschauen. Hier wird nicht etwa auf eine Utopie hingearbeitet, sondern sich über realistische Problemerkennungsmechanismen der Lösung genähert. „Wir verstanden unsere Residenz von Anfang an als kontinuierliche Recherche“, erläutert Aurélie d’Incau. „Wenn wir in dem einen Jahr auf eine bestimmte Problematik stießen, dann fiel die Entscheidung, die damit zusammenhängende Fragestellung im Folgejahr ausgiebiger im Rahmen der Künstlerresidenz zu behandeln. Das Thema war sozusagen immer das, was im Vorjahr nicht funktioniert hat.“

Da dem Team letztes Jahr aufgefallen war, dass das Publikum verstärkt in den künstlerischen Prozess eingebunden werden und mehr Interaktion stattfinden sollte, ist das diesjährige Thema das Festival selbst, und zwar unter dem Titel „Mikrokosmos“. Es soll auf multidisziplinärer Ebene ein anderer Zugang zu dieser sehr eigenen kleinen Welt, quasi einer Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft, entstehen. Obwohl dem Begriff auch eine negative Konnotation innewohnt, die tendenziell eher auf Exklusion und Isolation hinweist, besetzt man ihn hier positiv, so Van Aerde: „Auf dem ’Kolla’ kommen Menschen verschiedenster Backgrounds, Altersgruppen und sozialer Kontexte zusammen. Jeder bringt sozusagen seinen eigenen Mikrokosmos mit. Ziel ist es aber, dass diese Erfahrungswelten sich miteinander vermischen, aufeinander einwirken und abfärben.“ Es ginge keineswegs um eine einzige „Bubble“, sondern um ein riesiges Bälle-Bad.

„Ich glaube, dass es eventuell genau deswegen spannend werden kann, weil der Künstler hier nicht als einzelne Person allein im Mittelpunkt steht. Er muss sich mit dem, was ihn umgibt, auseinandersetzen und entscheiden, wie er sich im Mikrokosmos bewegen möchte“, ergänzt Naomi Eiro. Besonders ist bei dieser Residenz, dass am Ende nicht unbedingt ein „fertiges“ Werk entsteht. „Uns geht es mehr um den Prozess und die Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema“, erläutert Ahou Koutchesfahani. Hiermit weist sie auf einen essenziellen Bestandteil ebendieser Residenz hin: Denn hier steht die zuvor bereits von d’Incau erwähnte Recherche im Fokus.

Der Weg ist das Ziel

Wer sich hierunter noch wenig vorstellen kann, dem helfen sicherlich einige Beispiele aus den vergangenen Jahren: Die junge Künstlerin Séline Lenoir wollte beispielsweise zwischenmenschliche Beziehungen auf dem Festival untersuchen. Dies tat sie, indem sie auf verschiedensten Wegen versuchte, Freundschaften zu schließen. Lenoir hatte unter anderem stets sogenannte „Freundebücher“ bei Hand, die sie dann von ihren neuen Bekanntschaften ausfüllen ließ. Unter dem Titel „Fernbeziehung“ hatte sie ebenfalls ein derartiges Buch an einer Leine zwischen zwei auf dem Gelände befindlichen Skateboard-Rampen befestigt, sodass man von der einen oder anderen Seite daran ziehen konnte, um an das Buch zu gelangen. Die teils sehr intimen „Ergebnisse“ ließen spannende Schlüsse zu.

Eine weitere Künstlerin hegte große Begeisterung für das Alltägliche. So lichtete Monika Balukeviciute während des Festivals das Geschirr von Teammitgliedern ab, kurz nachdem diese das Essen beendet hatten. Sie weitete die Idee aus und verteilte dafür eine Art Gebrauchsanweisung an alle Essensstände, die mitmachen wollten. Darauf stand, wie die Besucher nach dem Verzehr ihres Gerichts beim Fotografieren und späteren Hochladen der Bilder vorgehen sollten. Ihr Plan war die Schaffung eines gemeinsamen virtuellen Ausstellungsraums. Eine andere Recherche, der sie nachging, bestand darin, Menschen auf dem Festival zu interviewen, bei dem Gespräch aber weniger auf das Gesagte als vielmehr auf die Hände zu achten. Neben den künstlerischen Resultaten entstanden so auch jede Menge Befunde über das Verhalten und die Gewohnheiten der Gäste.

Für große Begeisterung scheint wohl das „Graspomaton“ von Valentine Emilia Bossert gesorgt zu haben. Dabei handelt es sich um eine Foto-Booth-ähnliche Konstruktion, in welche die Festivalbesucher steigen konnten, während auf der anderen Seite hinter dem Vorhang ein Künstler saß. Verschiedene Künstler nahmen hieran Teil, dementsprechend variierten denn auch die Resultate, welche man nach einem gewissen Zeitraum dem kleinen Ausgabe-Fach entnehmen konnte. Manche Besucher erhielten ein Gedicht, eine Zeichnung oder vielleicht ein Transkript dessen, was sie während des Wartens geplaudert hatten. Vorhersehbarkeit stand definitiv nicht auf der Tagesordnung.

Es wird ersichtlich, dass die Ergebnisse des künstlerischen Prozesses hier nicht nur physischer Natur sind. Auch Beobachtungen und Erkenntnisse können im Rahmen der Residenz unter den Teilnehmern sowie den Festivalbesuchern ausgetauscht und diskutiert werden, daher scheint es verständlich, dass seit letztem Jahr auf eine Vernissage verzichtet wird: „Das Festival an sich ist schon ein künstlerischer Prozess. Man sollte das nicht einengen, stringent timen und dann statuieren: ’Wir machen genau jetzt in diesem Moment Kunst‘, das entspricht nämlich nicht unserer Idee von Kultur“, meint Aurélie d’Incau abschließend.

Die Residenz wird also nicht mit einer bestimmten Veranstaltung abgeschlossen, sondern findet erst nach dem Festival, das als Höhepunkt der Entwicklung angesehen wird, ein Ende, damit genug Raum bleibt, um auf die eigene Entwicklung zurückzuschauen. Wer sich an dieser kreativen Forschungsarbeit beteiligen möchte, der kann sich noch bis zum 1. Juni bewerben. Besondere Vorkenntnisse des Festivals sind nicht erforderlich. Was zählt, sind vor allem Neugierde und ausreichend Energie.

 

Festivaldaten:
17.-19. August

Dauer der Residenz:
20 Tage (2.-22. August)

Bewerbung für Residenz:
www.antropical.com

Infos zum Festival:
http://kollafestival.lu/