/ Keine Kompromisse
„Trials“ – Prüfung, Erprobung, Prozess, Experiment, Belastung: Der Album-Titel ist Programm. MOTB probieren sich aus, stellen sich selber auf den Prüfstand und schauen, wohin sie ihre Musik führen wird. Ihre Verspieltheit von „Danger Mouth“ haben sie sich erhalten, ebenso wie den Hang, an die Grenzen des musikalisch Machbaren zu gehen. Dabei ist ein Album entstanden, das dennoch viel ruhiger und zugänglicher wirkt als „Danger Mouth“. „’Trials‘ ist gesetzter, es wird mehr mit Stimmungen gespielt, das Technische steht nicht mehr so stark im Vordergrund und es ist nicht mehr ganz so nervös wie ‚Danger Mouth‘. Wir sind nicht mehr die ganze Zeit bei 300 Prozent“, lacht Gitarrist Nicolas Przeor, zusammen mit Sacha Schmitz eines der beiden verbliebenen MOTB-Gründungsmitglieder.
Der Soundsprung hat mehrere Gründe. Der erste ist die Band selbst, die mit Cédric Czaika (Bass) und Clement Delporte (Gitarre) seit „Danger Mouth“ zwei neue Mitglieder und damit auch andere Einflüsse hinzugewonnen hat. „Tchiggy (Cédric Czaika) hätte eigentlich von Anfang an dabei sein sollen, aber als Mutiny angefangen haben, konnte er nicht. Jetzt hat es gepasst.“ Schwieriger war die Suche nach einem neuen Gitarristen. Als man fast am Punkt war, aus Mutiny endgültig ein Trio zu machen, hat Nicolas Przeor Clement Delporte kontaktiert, den er von dessen früherer Band kannte. „Er hat Ja gesagt, und hier sind wir also“, so Przeor. Der Band hat das eine neue Energie gegeben. „Mit den Jahren lässt die Intensität ja manchmal nach, aber jetzt ist es so, als ob Sacha und ich neue Freundinnen hätten“, lacht er. Dazu kam „der Wille, einander besser zuzuhören und den Songs auch mal ein bisschen Luft zu lassen, statt immer zu machen, was wir gerade wollten“.
Keine Kompromisse über eigene Musik
Ein natürlicher Reifeprozess gewissermaßen. „Es ist nicht so, dass wir uns gesagt haben, wir müssen es vereinfachen, um mehr Leute zu erreichen. Wir machen unter uns Kompromisse, aber niemals in Bezug auf unsere Musik. Es klingt vielleicht blöd, aber wenn du älter wirst, werden andere Dinge wichtig. Früher ging es vielleicht darum, möglichst viele Noten in der Sekunde zu spielen und überall Rhythmuswechsel und Breaks zu haben, aber heute ist es uns wichtiger, eine bessere Lesbarkeit in unserer Musik zu haben, statt alles sofort und immer zeigen zu wollen. Das ist aber auch schwieriger.“
Produzent Matt Bayles (u.a. Mastodon, Minus The Bear, Pearl Jam, Blood Brothers) war verantwortlich dafür, diesem Reifeprozess den letzten Soundschliff zu verpassen. Der Kontakt kam auf denkbar einfache Weise zustande. „Das klingt schon fast blöd, aber wir haben eine Liste mit Produzenten gemacht, mit denen wir gerne ein Album aufnehmen würden. Matt Bayles stand ganz oben. Ich habe eine E-Mail geschickt und zehn Stunden später hat er geantwortet, dass er Lust habe, das zu machen. So einfach war das.“ Einen ganzen Monat hat sich die Band nach Seattle verzogen. Jeden Tag zwischen zehn und 15 Stunden im Studio, keine Ablenkung, keine Freunde, anderthalb freie Tage und selbst da nur die Musik.
Jetzt hat es gepasst
„Matt Bayles hat uns aber vor allem gezeigt, wie wichtig es ist, sehr genau zu arbeiten und mit sich selber streng zu sein. Was die Songs angeht, so hat er uns bei den Arrangements geholfen, aber 90 Prozent der Musik ist das geblieben, was sie war, als wir angefangen haben, aufzunehmen. Aber die Art zu arbeiten, hinter seinem Projekt zu stehen und daran zu glauben, war sehr wichtig für uns. Er hat uns viel Selbstvertrauen gegeben, denn am Anfang hatten wir etwas Angst. Aber er hat uns gesagt: ‚Hey, ihr müsst nicht so sein. Wenn ihr hier seid, dann heißt das, dass ihr es wert seid, mit mir zu arbeiten’“, erinnert sich Nicolas Przeor.
Herausgekommen ist ein Album, das jetzt schon international mehr als wohlwollende Kritik erntet. Und das ist mehr als eine nette Nebenerscheinung, denn mit „Trials“ wagen die vier den großen Sprung, nur noch von der Musik leben zu wollen. Die Berufung soll zum Beruf werden. „Eigentlich wollten wir das immer schon machen, aber entweder hat der Zeitpunkt nicht gepasst oder es waren Leute in der Band, die das nicht wollten oder einfach nicht konnten. Wir haben auch jetzt lange darüber nach gedacht, wie wir das machen sollten, nicht dass wir uns nach drei Monaten auflösen, kein Geld mehr haben und uns alle hassen. Es ist aufregend, aber auch ziemlich beängstigend, um ehrlich zu sein. Aber es geht auch darum, dass wir nicht nachher bereuen müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben. Wir machen es definitiv nicht, weil wir glauben, dass wir Superstars werden. Vielleicht haben wir nur ein Prozent Chance, aber es geht um die menschliche und die musikalische Erfahrung. Wir haben uns immer gesagt, wenn wir es auch nur ein Jahr oder zwei schaffen sollten, nur von der Musik zu leben, wäre das schon toll.“ Ein leichter Schritt war es nicht, aber einer der, u.a. dank der Unterstützung durch das Kulturministerium, machbar ist, „nicht einfach, aber machbar“, so Przeor, wohlwissend, dass die Band am Ende selber für Gelingen oder Nicht-Gelingen des Projekts verantwortlich sein wird.
Der Wille, es über Luxemburg hinaus zu schaffen, war bei Mutiny schon immer da. Ausgiebige Tourneen und Konzerte (u.a. mit Franz Ferdinand, Kings of Leon, Coheed And Cambria, Portugal The Man, And So I Watch You From Afar …) quer durch Europa, Auftritte beim SXSW in Texas … Nie hat man sich auf die lebhafte, aber doch kleine lokale Szene beschränken wollen, wie auch schon andere Bands vor ihnen (u.a. DefDump, Eternal Tango und ganz aktuell Sun Glitters). Dass dieser Schritt in Richtung Professionalisierung u.a. dank der Unterstützung von music:LX einfacher geworden ist, kann für Luxemburgs Musikszene nur von Vorteil sein.
Für Mutiny stehen in diesem Jahr u.a. Auftritte bei großen Festivals wie „Primavera“ (wo auch Inborn spielen werden) und Roskilde fest. Mit Redfield Records hat man ein Label für Kontinentaleuropa, mit Best Before konnte ein Deal für den britischen Markt festgemacht werden und auch die Verhandlungen mit einem Label in Frankreich laufen gut. Ein erstes Konzert mit dem neuen Material in Lille lief auch schon vielversprechend. Die Release-Party morgen im Atelier wird dann den Startschuss für eine erste dreiwöchige Tournee (durch Deutschland, Kroatien, Dänemark, Tschechien, Österreich) geben. Das ist zwar nur der Anfang, aber so war es ja eigentlich auch gedacht.
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