Kopf des TagesKalter Krieger vom ZDF: 100. Geburtstag von Gerhard Löwenthal

Kopf des Tages / Kalter Krieger vom ZDF: 100. Geburtstag von Gerhard Löwenthal
Der Journalist und damalige Moderator des „ZDF-Magazins“, Gerhard Löwenthal, während einer Sendung. Foto: Manfred Rehm/dpa

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100. Geburtstag von Gerhard Löwenthal

Sein „ZDF-Magazin“ war der Inbegriff des Kalten Krieges im westdeutschen Fernsehen. Gerhard Löwenthal galt als strammer Vorkämpfer des Antikommunismus, als politische Reizfigur, aber auch als Anwalt der Menschenrechte: Am 8. Dezember wäre er 100 Jahre alt geworden. Wohl kaum ein Fernsehmoderator hat so polarisiert wie Löwenthal, der sich als „radikalen Konservativen“ bezeichnete.

„Vorbei ist das Fernsehen, aber als Journalist hört man erst auf, wenn der liebe Gott das bestimmt“, hat Löwenthal einst in einem Interview gesagt. Journalismus verstand er dabei stets als Kampf: Von Januar 1969 bis Dezember 1987 berichtete er mittwochabends in seiner Sendung im ZDF über politische Verfolgung in der DDR und prangerte nicht nur Menschenrechtsverletzungen hinter dem Eisernen Vorhang an, sondern auch die Ostpolitik der Bundesregierung. Die Rubrik „Hilferufe von drüben“ war bezeichnend für die Mission der Sendung, die erst in Zeiten des Tauwetters zwischen Ost und West verschwand.

Am 8. Dezember 1922 als Sohn eines jüdischen Fabrikanten in Berlin geboren, war Löwenthal ab 1938 zeitweise zusammen mit seinem Vater im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Seine Großeltern starben in Theresienstadt. Nach einer Optikerlehre holte Löwenthal 1945 das Abitur nach und begann ein Medizin-Studium an der Berliner Humboldt-Universität. Nachdem er sich hier mit der SED anlegte, wechselte er schließlich in den Westteil der Stadt. Zunächst Reporter und Redakteur beim RIAS, kam er 1963 zum ZDF. 1969 begründete der gebürtige Berliner das „ZDF-Magazin“, mit dem er starke konservative Akzente für das politische Profil des Senders setzte.

Der Vorspann des „ZDF-Magazins“ war so ikonisch, dass Entertainer Jan Böhmermann nicht nur den Titel des Klassikers für seine Satiresendung klaute und verfremdete. Auch die bekannte Musik des Löwenthal-Formats ist bei ihm oft zu hören: der erste Satz des Konzertes für Orchester von Witold Lutoslawski. Ein schneidender Streicher-Klang, der einen Horrorfilm einleiten könnte. Dazu die Nahaufnahme eines Monitors mit Ausschlägen der Töne. Viele sahen in der Sendung das West-Gegenstück zur DDR-Sendung „Der schwarze Kanal“ mit Karl-Eduard von Schnitzler.

Für die deutsche Linke wurde Löwenthal zunehmend zur Reizfigur, zumal er sich in Zirkeln wie der Deutschlandstiftung und der Konservativen Aktion engagierte. Doch der Moderator des „ZDF-Magazins“ war mehr als ein Kommunistenfresser. „Er war sehr markant und ernst. Das fanden viele authentisch“, sagt Historiker Stefan Winckler, der sich in seiner Magisterarbeit und später auch in seiner Dissertation lange mit Löwenthal und dessen Leben beschäftigt hat. „Als Holocaust-Überlebender war er besonders authentisch in seiner Einstellung für die Menschenrechte und gegen totalitäre Systeme.“

Insbesondere durch seine eigenen Erfahrungen habe sich Löwenthal berufen gefühlt, gezielt für einen demokratischen Verfassungsstaat einzutreten und diesen mit den Mitteln eines Journalisten gegen seine Feinde zu verteidigen. Winckler: „Er hätte nicht erwartet, dass er so polarisierend wirkt und das Fernsehpublikum in zwei Lager teilt“. In seiner „berlinerischen Direktheit“ habe er sich aber nie verstellt.

Nach 585 Sendungen im ZDF wurde Löwenthal in die „Zwangspensionierung“ geschickt, wie er es selbst sah. Doch auch danach mochte der Journalist nicht still halten und hielt Vorträge zur Deutschlandpolitik. Blätter wie das „Deutschland-Magazin“ und die „Junge Freiheit“ druckten seine Beiträge. Besonders gern sprach er vor studentischen Verbindungen und begründete dies mit seinem „Drang, Lebenserfahrungen an Jüngere weiterzugeben“.

Sein Weltbild änderte sich in den letzten Jahren nicht: „Ich höre immer, der Kommunismus sei tot. Aber mir hat noch niemand die Leiche gezeigt. Mich beschäftigt die Frage, inwieweit der Westen wieder dabei ist, auf die Russen reinzufallen.“ Gleichwohl hatte Löwenthal, Vater von zwei Söhnen und mehrfacher Großvater, in einem dpa-Gespräch eingeräumt, er werde „ruhiger und nachdenklicher“. Im Dezember 2002 starb Löwenthal zwei Tage vor seinem 80. Geburtstag in Wiesbaden. (dpa)